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Vision „zukunftsfähiges Land“

■ In Oldenburg wurde eine Studie zum ökologischen Umbau vorgestellt

Wir sind nicht zukunftsfähig. Unser Lebensstil samt Zweitwagen, eigenem Computer und alljährlicher Flugreise verschlingt rund 80 Prozent aller Ressourcen. Übertragen auf alle Menschen würde das unserem Planeten binnen kürzester Zeit den Garaus machen. Dieser Gedanke liegt der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland - ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung“ zugrunde, die vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie erstellt wurde. Die Auftraggeber, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und das katholische Hilfswerk MISEREOR, haben am vergangenen Donnerstag in die Uni Oldenburg eigeladen, um die Ergebnisse vorzustellen. Im vollbesetzten Bibliothekssaal wollte jedoch keine rechte Reform-Euphorie aufkommen. Die Studie beschreibt zwar die Ziele, es bleibt jedoch offen, wie ein Wandel bewerkstelligt werden kann.

Bis zum Jahr 2010, so Wolfgang Jung vom Wuppertaler Institut, soll der Verbrauch von fossilen Brennstoffen um ein Viertel reduziert und sämtliche Atomkraftwerke stillgelegt werden. Dafür soll der Anteil von erneuerbaren Energieträgern jedes Jahr um drei bis fünf Prozent steigen. „Allerdings beanspruchen auch Windräder Ressourcen und Platz, sagte Jung. Deshalb müsse der Verbrauch insgesamt sinken. Bessere Energieausnutzung und der Verzicht zum Beispiel auf die Autofahrt zum Zigarettenautomaten um die Ecke sollen den Energiebedarf um 30 Prozent reduzieren.

„Die Energieversorger von heute sind die Energiedienstleistungsunternehmen von morgen“, glaubt Jung. Ihre Zukunft liege in ausgeklügelten Möglichkeiten, Strom einzusparen, ihre zentrale Aufgabe sei eine kundenorientierte Betratung und Betreuung.

Auch Häuslebauern und Autobahnplanern geht es an den Kragen: Der Flächenverbrauch soll kontinuierlich gesenkt werden und ab 2010 vollends stagnieren. Das Motto für die „zukunftsfähige Stadt“ laute „Verdichtung“, meinte Jung. Durch bewegliche Innenwände könne zum Beispiel das Eigenheim je nach Bedarf flexibel aufgeteilt werden. Sind die Kinder ausgezogen, könnten ihre Zimmer zu einer abgeschlossenen Wohnung gruppiert und vermietet werden.

Ebenso wie den Energieversorgern stehe auch dem Mobilitätsbereich ein Strukturwandel bevor. Weg vom eigenen Auto, hin zum Mobilitätsdienstleistungsunternehmen (MUD), das Autos vermietet, Car-Sharing organisiert, die günstigsten Zug- und Busverbindungen kennt sowie Sammeltaxen und Minibusse koordiniert.

Jung strich die sozialen Aspekte der Wuppertaler Vorschläge besonders heraus: Die Arbeit der Zukunft sei die Teilzeitarbeit, insbesondere im Dienstleistungsbereich. „Wir wollen Ressourcen, Kilowattstunden und Tonnen arbeitslos machen, nicht die Menschen“. Eine ökologische Steuerreform soll den Ressourcenverbrauch verteuern und den Faktor Arbeit entlasten.

Auch die Land- und Forstwirtschaft soll umgekrempelt werden. Bis zum Jahr 2010 sollen Äcker und Wiesen biologisch bewirtschaftet und der Forstbetrieb auf naturnahen Waldbau umgestellt werden - weg vom „Holzacker“.

Das Publikum mochte sich Jungs Optimismus jedoch nicht so recht anschließen: „Wie stehen die Chancen, so weitreichende Ziele umzusetzen?“, war ein ums andere Mal die Frage. Und Jung mußte einräumen, daß vor allem die Unternehmer scharfe Kritik formulieren: „Sie werfen uns vor, daß wir eine Ökodiktatur errichten wollten“, meinte er. „Wir haben jedoch bewußt darauf verzichtet, ein neues Gesellschaftsmodell zu entwerfen“, so Jung. Ziel der Studie sei vielmehr, der Diskussion um den „Standort Deutschland“ eine neue Richtung zu geben. Vor allem die kreativen und ökonomischen Potentiale von umweltgerechter Technologie und Wirtschaftsweise seien bisher vernachlässigt worden.

Elke Gundel

Die Studie wird in Bremen am 26. Januar in der oberen Rathaushalle um 15 Uhr vorgestellt. Rückfragen: 71003.

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