: Vorschlag
■ „Asphaltflimmern“, ein echt authentischer Film im Eiszeit-Kino
Blau leuchtet die Hamburger Nacht, in der ein kleiner Junge versucht, schicke Autos zu entwenden. Empört stört ihn ein Blondschopf, der es auch auf den Wagen abgesehen hatte. Lang können sie nicht streiten, denn da draußen stehen Bullen. So ergreifen Gena (Fati Sengül), der zwölfjährige Rumäne, und Micka (Thorsten Schätz), ein etwa 14jähriger Blondschopf, die Flucht und stellen sich erst später einander vor, was zu weiteren Komplikationen führt – Micka mag keine „Kanaken“. Dann finden sie doch zueinander, klauen einen Mercedes und fahren gen Osten. Dort will Micka geklaute Game-Boys verkaufen und Gena zu seinem großen Bruder, der in einem Dresdner Flüchtlingsheim wohnt. Nachts auf der Raststätte lernen sie die junge Ost-Kellnerin und Gelegenheitsdiebin Philipa (Oda Pretschner) kennen. Als sie die Zeche prellen wollen, sitzt Philipa plötzlich mit im Wagen und droht den Jungs mit einem Küchenmesser. Die juvenilen Delinquenten können ihr jedoch glaubhaft machen, daß sie kein Geld haben. Weil sie deshalb ihre Arbeit verlieren würde, fährt sie dann mit. Oder so. Oder weil sie grad muttertriebsgeschüttelt ist. Irgendwie muß man die Helden zusammenbringen.
Das überaus „authentische“ und „spannende Road-Movie“ – Südkurier – beginnt mit Verzögerungen, weil Philipa einige Sachen aus ihrer schicken Dreiraumwohnung holen muß: vor allem eine hölzerne Madonna aus dem 14. Jahrhundert, die sie neulich geklaut hat. In wechselnden Autos geht's dann durch den wilden Osten, von dem man nicht allzu viel sieht, außer Wartburgs mit Schleswiger Kennzeichen (SL). Weil es ohne Russen nicht geht, werden die drei ein paar Kilometer von einem russischen Soldaten mitgenommen, der malerische Möbel transportiert, die man in die Landschaft stellen kann, damit es gut aussieht.
In blauer Nacht küssen sich Philipa und der Soldat. Trotzdem klauen die drei seinen Wagen. Am Ziel in Dresden ist das Heim abgebrannt und Genas Bruder irgendwo in Berlin untergetaucht, wie ein freundlicher Flüchtling erzählt. Ein Nazitankwart ist auch dabei. Weil „Asphaltflimmern“ so authentisch aus der Welt der Entwurzelten und Heimatlosen berichtet und die SchauspielerInnen so authentisch sind (echte Heimkinder, echte Ostlerin), wurde der Film u.a. mit dem Adolf-Grimme-Preis für politisch korrekte Abendunterhaltung ausgezeichnet. Detlef Kuhlbrodt
„Asphaltflimmern“ von J. Hebendanz im Eiszeit, 19 Uhr, Zeughofstraße 20, Kreuzberg. Ab Do. auch Sputnik Südstern
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