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Südafrikas Fans isolieren sich

Sorge trotz sportlichen Erfolgs: Wegen leerer Ränge fürchtet Afrika-Cup-Gastgeber Südafrika um seine Olympia- und WM-Pläne  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Wenn es darum geht, die Verdienste des eigenen Teams zu würdigen, befleißigen sich Südafrikas Sportreporter derzeit nicht gerade der Zurückhaltung. Einen „triumphalen Sieg“ bescheinigen sie unisono den südafrikanischen Fußballern nach dem samstäglichen 1:0 über Angola. Tatsächlich war die Vorstellung, die die „Bafana Bafana“ (frei übersetzt: „unsere Jungs“) bei strömendem Regen im FNB-Stadion in Soweto gaben, eher mittelmäßig. Erst ein veritabler Torwartfehler ermöglichte Starspieler Marc Williams (58.) das 1:0. Doch allein Trainer Clive Barker übt sich seither in Bescheidenheit: „Lieber schlecht spielen und gewinnen als gut spielen und verlieren“, sagte er.

Seit einer Woche wird um die kontinentale Fußballmeisterschaft gespielt. Zum ersten Mal in Südafrika. Die Erwartungen der Gastgeber sind hoch. Und weiter gestiegen, nachdem man vor ausverkauften Rängen das Eröffnungsspiel gegen die „Löwen“ aus Kamerun mit 3:0 gewonnen hatte. Nun steht das Team bereits im Viertelfinale, und das unabhängig vom Ausgang des Spiels gegen Ägypten am Mittwoch.

Allerdings kann die Begeisterung der südafrikanischen Kommentatoren über eines nicht hinwegtäuschen: Die Meisterschaft droht zum Flop zu werden – mangels Zuschauern. Sämtliche Spiele der Vorrunde in der vergangenen Woche fanden vor leeren Stadien statt. Selbst das Spiel zwischen den als Favoriten geltenden Teams aus Ghana und Elfenbeinküste lockte gerade einmal 8.000 Zuschauer in die Hafenstadt Port Elizabeth. Wirklich zu begeistern, so scheint es, sind die Südafrikaner nur, wenn die eigene Mannschaft spielt.

Dabei wollen die Gastgeber eigentlich viel mehr, als Spiele gewinnen. Nach jahrzehntelanger Isolation war Südafrika im vergangenen Jahr zum ersten Mal Schauplatz eines internationalen Sport- Großereignisses. Die Rugby-Weltmeisterschaft, organisatorisch halbwegs gelungen, wurde innerhalb Südafrikas nach dem eigenen Sieg zum Politikum. Begeistert feierten Schwarz und Weiß Versöhnung, avancierte der bis dahin rein weiße Sport zum neuen Lieblingskind der Schwarzen in den Townships. Auch Präsident Nelson Mandela verstand es, aus dem Sport für seinen Kurs der Versöhnung Nutzen zu ziehen. Er schüttelte, angetan mit dem „Springbok“-Trikot, vor dem Endspiel jedem einzelnen Spieler die Hand.

In diesen Tagen trägt er das Trikot der Fußballer. Sollten die Südafrikaner wieder gewinnen, werden sich ähnliche Szenen wiederholen. Ob der Imagegewinn ähnlich groß ausfallen wird, ist angesichts der zuschauerfreien Vorrunde zweifelhaft. Dabei ist „Soccer“ in Südafrika der Sport der schwarzen Bevölkerungsmehrheit. Ein Grund dürfte in den vergleichsweise hohen Eintrittspreisen liegen, die für viele Schwarze unerschwinglich sind. Oft ist auch der Transport zu den Sportstätten ein Problem. Auch nach dem Ende der Apartheid leben die meisten weit außerhalb der Städte in den Townships: Die Organisatoren haben es offenbar versäumt, den Transport flächendeckend vorzubereiten.

Doch all das reicht als Begründung nicht aus, das weiß auch der Südafrikanische Fußball-Verband (SAFA). „Wir sind perplex und geschockt“, erklärte dessen Präsident Solomon Morewa zunächst: „Ich weiß aber nicht, wo das Problem liegt.“ Morewa kam inzwischen aber zu einer nachdenklichen Einschätzung: „Vielleicht sind wir Südafrikaner nach den vielen Jahren der Isolation vom Weltsport nicht mehr in der Lage, das Können anderer afrikanischer Nationen zu würdigen.“

Wenn diese These stimmt, dürften so manche ehrgeizigen Pläne einen empfindlichen Dämpfer bekommen. Kapstadt bereitet derzeit seine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2004 vor und setzt dabei auf „Spiele für Afrika“. Und die SAFA möchte die Fußball-WM nur zwei Jahre später auch noch nach Südafrika holen. Die FIFA dafür zu begeistern wird nun schwieriger, da leere Ränge Image und weltweite Vermarktbarkeit einer WM nicht gerade fördern.

An fußballerischen Defiziten kann es nicht liegen: Mitunter ist brillanter Fußball zu sehen, auch wenn der Favorit und Titelverteidiger Nigeria nicht dabei ist, nachdem das dortige Regime sein Team unter offensichtlich vorgeschobenen Gründen zurückgezogen hat. Daß afrikanische Spieler guten Fußball spielen, wissen europäische Talentsucher seit langem. Die Meisterschaft dient denn auch nach wie vor einem: neue Talente nach Europa wegzukaufen. Die Stars des Turniers sind längst auch Stars in europäischen Vereinen. Und so machen sich die anderen Hoffnungen, dem Vorbild George Weahs oder Anthony Yeboahs folgend den Sprung nach Europa zu schaffen.

Der Liberianer Weah (AC Mailand) ist, nach dem eigenen Team, das Lieblingskind der südafrikanischen Medien. Der Weltfußballer des Jahres versucht das erste Auftreten seines Landes in einem internationalen Turnier dazu zu nutzen, Druck auf dessen Machthaber auszuüben, den Weg für Wahlen freizugeben. Und ist sich dabei seines internationalen Ansehens wohl bewußt. Weah droht dem Regime in Monrovia damit, nie wieder für Liberia zu spielen, weil es seinen Einsatz nicht genügend würdige. Es wird gemutmaßt, daß Weah sämtliche Flugtickets für das liberianische Team selbst bezahlt hat. Der Stürmer weiß zwar, daß er mit Liberia keinen Titel gewinnen kann. Dennoch hat er für seinen Aufenthalt in Südafrika einen Traum. Er will zusammen mit Nelson Mandela, den er ein „Symbol für Frieden und Freiheit“ nennt, für ein Foto posieren.

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