Freispruch in eigener Sache

■ Hamburgs Rechtsanwälte verteidigen sich selbst gegen den Vorwurf des gewinnorientierten „Gebühren-Surfings“

Zeiht man Rechtsanwälte der Gebührenschinderei, geschieht ähnliches wie seinerzeit, als jemand Lehrer „faule Säcke“ nannte: Ihnen schwillt der Kamm. Prozeßverschleppung qua Beweisantrag und gewinnorientiertes „Gebühren-Surfing“ hatte ein Richter den Hamburger Strafverteidigern öffentlich vorgeworfen. Auf diese „Verleumdungskampagne“ reagierten Rechtsanwaltskammer und Anwaltverein gestern mit einem „Hintergrundgespräch“. Zur Selbstverteidigung angetreten waren neben anderen drei namhafte Strafprozeßanwälte. Sie plädierten auf Freispruch.

„In jedem Berufsstand gibt es unglückliches Prozedieren“, räumte Star-Anwalt Otmar Kury ein. Kein Grund sei dies und empörend zudem, wenn daraufhin ein Berufsstand pauschal diffamiert wird. Die Gebührenordnung mache es Pflichtverteidigern unmöglich, sich im großen Stil und auf Kosten der Steuerzahler zu bereichern. In knapp 70 Prozent der Fälle schieße die Staatskasse die Anwaltsgebühren lediglich vor.

Die Strafprozeßordnung biete zahlreiche Gründe, um Beweisanträge der Verteidigung abzulehnen – und verpflichte das Gericht, jeden Antrag entsprechend zu prüfen, erklärte Kurys Kollege Johann Schwenn. Wenn eine Kammer – weil sie die Revision oder einen Befangenheitsantrag fürchtet – Beweisanträge trotz Zweifels an deren Notwendigkeit zuläßt, dann sei eher das Gericht des Rechtsmißbrauchs zu bezichtigen.

Auch die beliebteste aller Verzögerungstaktiken verortete Rechtanwalt Gerhard Strate auf der gegnerischen Seite. Denn die Richterschaft, von ihrer Mentalität her eben doch Beamte, mache gern und lange Urlaub. Sie könne dies erst nach zehn Hauptverhandlungstagen – die nicht alle den ganzen Tag lang dauern müssen. Aus diesen praktischen Gründen sei so manche Sitzung sehr kurz und überflüssig. Die Anwälte erhielten dann den Tip, daß sie an diesen Tagen gern einen Referendar schicken könnten.

Und während Richter ein festes Gehalt und bezahlten Urlaub erhalten, verbleibe nur ein Fünftel der kargen Gebühren einem Pflichtverteidiger als Gewinn. Ein Mißstand, den Kury dennoch für unabdingbar hielt: Nur unabhängig von Staat und Salär sei eine kämpferische Auseinandersetzung vor Gericht möglich. Stefanie Winter