: Verleumdung: Neonazi für sieben Monate in den Knast
■ Brandenburgs Innenminister Ziel war als Stasi-Spitzel bezeichnet worden
Im Amtsgericht Tiergarten sorgten gestern Rechtsextremisten für Tumult. Im Gerichtssaal torpedierte der bundesweit als Lieblingsanwalt deutscher Neonazis bekannte Jürgen Rieger eine Richterin mit Beschuldigungen. Vor dem Saal attackierte Wolfram Narrath, ehemaliger Kader der verbotenen Wiking-Jugend, einen Pressefotografen. Auf den hinteren Bänken hatte unter anderem Frank Schwerdt, Vorsitzender der „Nationalen“ in Berlin, Platz genommen. Ebenso Begleitschutz für den Prozeß gab Detlev Cholewa, führendes Mitglied der verbotenen FAP in Treptow. Doch das rechte Aufgebot nutzte wenig: der vorbestrafte Rechtsextremist Hans-Christian Wendt wurde gestern zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Wendt, der den Brandenburger Innenminister Alwin Ziel (SPD) als Stasi-Spitzel bezeichnet hatte, war gestern der „üblen Nachrede“ beschuldigt. Der Redakteur der rechtsextremistischen Berlin-Brandenburger Zeitung ist allerdings schon seit Jahren als aktiver Neonazi bekannt und kandidierte 1992 für die „Nationalen“, eine rechte Sammelorganisation aus verschiedenen verbotenen und legalen Organisationen. 1989 war Wendt wegen Volksverhetzung zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Wegen Verleumdung wurde er schon viermal bestraft. Seine Vorstrafen, darunter auch die Verwendung verfassungsfeindlicher Embleme und unbefugter Waffenbesitz, waren auch der Grund für das Urteil ohne Bewährung. Zwar lief der Prozeß gestern anfangs so ab, wie Verteidiger Jürgen Rieger es bevorzugt: Er verwirrte Zeugen und beantragte schließlich, das Gericht wegen Befangenheit abzulehnen. Doch die Richterin machte Rieger bald einen Strich durch die Rechnung. Sie lehnte den Befangenheitsantrag ab und verkündete nach dreieinhalb Stunden das Urteil.
Für Besucher, Anwalt und Angeklagten wird bald schon eine neue Gelegenheit geben, zusammen vor Gericht zu erscheinen: nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist gegen Wendt auch vor der Staatsschutzkammer beim Landgericht eine Anklage erhoben worden. Dort dürfte es sich nicht nur um Verleumdung handeln. Barbara Junge
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen