■ Nach Schinkenschwindel jetzt Leberkäsechaos
: Schärfere Krustenkontrollen!

Augsburg (taz) – Was für eine Woche für die Augsburger Justiz: So richtig deftig bayerisch, quasi brotzeittechnisch durchterminiert. Zunächst nach fünfjährigem Streit das sicherlich nur vorläufige Urteil zum „Original Schwarzwälder Schinken“, der nun mal nicht aus Augsburg kommen darf. Und am Freitag nun der Leberkäs, der „Original Bayerische Leberkäs“, und zwar mit dem nicht zu vernachlässigenden Zusatz „ofengebacken“.

Dies ist deshalb so wichtig und beschäftigte die Justiz immerhin zwei Jahre lang, weil nämlich nach dem „ofengebacken“ – und das passiert bei 160 Grad – der Leberkäs eine schöne braune Kruste hat. Genau diese Kruste aber hatte der beanstandete Leberkäs nicht, als am 20. Oktober 1992 die Spezialisten des baden-württembergischen Wirtschaftskontrolldienstes (WKD) in Rastatt einen „Krustenlosen“ sicherstellten.

An dieser Stelle nun wird der ursächliche Zusammenhang zwischen dem „Original Schwarzwälder Schinken“ und dem „Original Bayerischen Leberkäs“ deutlich. Die WKD-Fahnder stellten nämlich fest, daß der Leberkäsehersteller mit jener Firma identisch ist, die auch den nicht originalen „Original Schwarzwälder Schinken“ in Umlauf brachte. Die Recherchen nahmen ihren Lauf, führten Richter und Beschuldigte, mit weißen Kitteln und Häubchen ausgestattet, in die Leberkäsproduktion.

So stritt man also darüber, ob der ofengebackene „Original Bayerische Leberkäs“ auch bei nur 100 Grad und ohne Kruste gebrüht werden dürfe, damit die Plastikfolie, in die er zum großflächigen Verkauf eingefüllt wird, nicht schmelze. Eine wichtige Frage, denn schließlich ging es immerhin um rund eine Million 400-Gramm- Packungen. Wer nun freilich nach Abschluß des Verfahrens erwartet, daß die Krustenfrage endgültig geklärt ist, sieht sich getäuscht. Zwar erklärten sich der Angeklagte Georg G. und seine Tochter Anneliese P. bereit, 10.000 beziehungsweise 5.000 Mark Geldbuße zu leisten – unter Hinweis darauf, daß der inkriminierte Leberkäse längst nicht mehr vertrieben würde. Der bei 100 Grad gebrühte „Original Bayerische Leberkäs“ wird jedoch noch immer als solcher verkauft. Vom Markt ist lediglich der Zusatz „ofengebacken“. Ob die Sache erneut verfolgt werden muß, bleibt abzuwarten. Der Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft, Jörg Hillinger, ließ sich am Rande des Verfahrens entlocken, daß er jedenfalls seinen Leberkäs am liebsten mit schöner Kruste ißt. In Plastikfolie eingepackt würde ihn ja auch nicht einmal der Anwalt der Beklagten verzehren. Klaus Wittmann