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Eine Partei, die es nicht besser verdient

■ Die FDP hat als nationalliberale Partei eine lange Tradition und eine Zukunft

Für all jene, denen das Überleben der FDP am Herzen oder am Geldbeutel liegt, die gute Nachricht zuerst: Die Partei hat ein Wählerpotential von gut 15 Prozent. Es ist relativ homogen, relativ vermögend, gehört sozial und ökonomisch zur dynamischen Mitte der postindustriellen Gesellschaft. Und nun die schlechte Nachricht für all jene, denen das Überleben einer liberalen Partei am Herzen liegt: Das Wählerpotential liegt am rechten Rand. Seine Sorge gilt den hohen Steuern und Abgaben, sein Lamento den Parteibuchprivilegien und der staatlichen Mißwirtschaft, sein Zorn den Asylanten und Kriminellen. Welch liberales Herz würde ob solcher Aussichten nicht höher schlagen – vor Wut. Das hat nichts mehr mit Liberalismus zu tun, zetern die Leutheusser-Schnarrenbergers, wenn die von Stahl-Truppe aufmarschiert. Hat doch, kontern Lösche/Walter in ihrer essayistischen Chronik des deutschen Liberalismus.

Schon an dessen Anfang standen weniger die Rebellen des Vormärz, als vielmehr das Vereinsleben des Biedermeier. In ihm fanden die Liberalen ihr soziales und kulturelles Fundament. In seinem Zentrum stand der Nationalismus.

Der Übergang vom organisierten Liberalismus zum rechten Populismus war im bürgerlichen Deutschland fließend. Selbst den Spiritus rector sozialliberaler Bündnispolitik, Friedrich Naumann, klassifizieren Lösche und Walter als Sozialimperialisten, der seine Sozialgesetzgebung durch eine aktive Weltmarktpolitik finanzieren wollte. Der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die sich wie keine andere politische Kraft mit der Weimarer Republik identifizierte, lief das sich rechtsradikalisierende Bürgertum davon, ihr nationalliberaler Antipode Deutsche Volkspartei (DVP) lief diesem Trend hinterher – ohne Erfolg. Lösches und Walters Fazit: „So paradox es klingen mag: Sozial- und mentalitätsgeschichtlich wurde die NSDAP zur Nachfolgepartei des Liberalismus.“ Und die FDP nach dem Kriege ein Auffangbecken der frustrierten früheren HJ-Führer und Vertriebenen. Wieder bildete das Nationale die Klammer einer Integrations- und Sammlungsstrategie. Die Deutschlandpolitik wurde ab Mitte der 50er Jahre zum Markenzeichen der FDP. Sie grenzte sich gegen Adenauers Politik der Westintegration genauso ab, wie sie bereits Züge der späteren sozialliberalen Entspannungspolitik trug.

Es waren die Jahre der „nivellierenden Mittelstandsgesellschaft“, die Mitte galt als der Hort politischen Stabilität. Es begann die Hochzeit einer Strategie, die die FDP im Regierungbündnis als Mehrheitsbeschafferin und als Korrektiv des jeweiligen Partners anbot. Aus dieser Taktik heraus und nicht aus hehren Prinzipien wurde die sozialliberale Koalition geschlossen.

In dieser Zeit habe, so Lösche/ Walter, die FDP die Chance verpaßt, sich ein neues linkslibertäres Mittelschichtsmilieu zu erschließen und sich damit auf lange Sicht die Konkurrenz der Grünen vom Leib zu halten. Statt dessen brach die Ära des Genscherismus an. Daß diese Chance tatsächlich bestand, darf bezweifelt werden. Schon die Hinwendung zur Sozialdemokratie hatte ein Großteil der FDP-Klientel verschreckt. Die FDP verfügte zudem über kein Personal, daß attraktiv genug war, kompensatorisch die aufkommenden sozialen Bewegungen zu binden. Vielmehr erhielt deren Anti- Etatismus durch die Innenpolitik eines linksliberalen Maihofer oder die Rechtspolitik eines Baum neue Nahrung. Trotz liberalem Ökologieprogramm, die Differenz war zu groß. Noch Anfang der 80er, als sich die FDP bereits wieder nach rechts wendete, sprach Glotz von den zwei Kulturen. Es brauchte weitere zehn Jahre, bis die Grünen sich soweit dem Staat angenähert hatten, daß sie den Liberalismus auch für sich entdeckten.

In der Zwischenzeit war das sozialistische Projekt gestorben, die politische Figur des Revolutionärs mußte der des Citoyens weichen. Es ist ein erstaunliches, von den Autoren leider nicht reflektiertes Phänomen, daß die Freidemokraten aus der ideengeschichtlichen Renaissance des Liberalismus nach 89 keinen Nektar saugen konnten.

Als politische Philosophie, als programmatische Orientierung findet der Liberalismus in dem Buch keine Würdigung. Er wird lediglich in dem zur Kenntnis genommen, was der eine oder andere Flügel gerade aus ihm macht. Vielleicht entspringt das einer realistischen Einschätzung einer Partei, die sich wohl auch in ihrer rechtspopulistische Variante nicht scheuen wird, sich liberal zu nennen. Für all jene, die vor dieser Variante graust, haben Lösche und Walter noch eine gute Nachricht parat: Ein deutscher Haider ist derzeit nirgendwo zu erkennen. Auf ihn käme es aber an, um den Protest zu sammeln und zusammenzuhalten. Dieter Rulff

Peter Lösche und Franz Walter: „Die FDP“. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996, 215 Seiten, 24,90 DM

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