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Musik ohne Anfang und Ende

■ „Morton Feldman & Friends“, ein Festival zu der Schlüsselfigur der Neuen Musik im NDR

Seine Musik klingt nicht disharmonisch, trägt nicht die Züge einer zersplitterten Welt und ihrer verwirrten Bewohner. Und doch ist in ihr viel aufgelöst: Folgerichtigkeit, Ereignis und Form. Morton Feldman (1926-87) ist eine der Schlüsselfiguren der neuen us-amerikanischen Musik.

Der dicke New Yorker versuchte gar nicht, das traditionelle System zu erweitern. Seine Erwägungen richteten sich auf das grundlegende Niveau der Komposition. Als ausgebildeter Pianist und mit brillanter Kenntnis der abendländischen Musik stellte er die Gültigkeit aller musikalischen Syntax in Frage und verweigerte sich jeglicher Subjektivität.

So geriet er in den 50er Jahren in den Kreis der Avantgarde um John Cage. Feldman, der vom abstrakten Expressionismus De Koonings oder Pollocks wohl mehr Anregungen empfing als von Tonkünstlern und der seine Musik mit Matisse oder Mondrian verglich, gilt als Vater der graphischen Notation und Mitbegründer der Aleatorik.

Seine leise Musik, überwiegend für konventionelles Kammerinstrumentarium, hat weder Anfang, Mitte noch Ende. Sie beginnt wie aus dem Nichts, dauert, als Spiel von Klängen und Stille, von Moment zu Moment ohne Ziel entwickelt, in reiner Absichtslosigkeit. Feldman wollte das Material, die Bausteine, so selbständig wie möglich fließen lassen. Die einzige Frage sei, wie es in Bewegung zu halten ist.

Stille Musik / Feldman & Friends – schlichter konnte der Titel des von NDR und Philharmonie ausgerichteten Feldmann-Minifestivals dieses Wochenende nicht gewählt sein. Neben dem OEuvre Feldmans widmet man sich ab Freitag drei Tage lang auch den Werken geistesverwandter Komponisten.

Auf einer Pressekonferenz zu der Veranstaltung und zur generellen Situation der zeitgenössischen Musik waren sich die Organisatoren einig, daß bessere Werbung der erste Schritt zu größerer Öffentlichkeit sei. Wobei Peter Stamm von NDR zugab, daß der „Spagat zwischen Bildungsauftrag und Akzeptanz“ oft zu Lasten der modernen Musik gehe. Für Opernintendant Peter Ruzicka ist der „Standort Hamburg für Neue Musik“ gar nicht so schlecht. Er würdigte das 1991 wiedererstandene neue werk als „geretteten Kontrapunkt der Musikfeste“ – wenngleich mit ungewisser Zukunft.

Zwei Uraufführungen sind in den sechs Konzerten zu hören: Das Violinkonzert von Ulrich Leyendecker, das am Freitag, 20 Uhr, in einem Programm mit Tallis von Peter Ruzicka und dem durch altägyptische Gewebe inspirierten Coptic Light, eine der letzten Kompositionen Feldmans, steht. Von dessen Freund La Monte Young, einem der Erfinder der Minimal Music, wird Sonntag, 18 Uhr, Four Dreams Of China uraufgeführt.

Der Pianist und Musikgelehrte Sigfried Mauser erkundet in seinem Rezital am Samstag, 16 Uhr, das Feld derer, die Feldmans Musikdenken mehr (Satie) oder weniger (Scrjabin) nahestehen. Ab 19 Uhr wird die Geduld der Zuhörer auf die Probe gestellt: Das Kölner Auryn-Quartett führt Feldmans fünfstündiges und deswegen selten gespieltes 2. Streichquartett auf.

Interessant dürfte auch das Konzert am Sonntag, 11 Uhr, für kleinere Kammerbesetzungen mit späten Werken von Luigi Nono und Giacinto Scelsi sein. Die Feldman-Würdigung endet Sonntag, 21 Uhr, mit Kammerkompositionen von John Cage, Christian Wolf und Helmut Oehring – dem einzigen Konzert mit Vokalmusik. Erhellend könnte das Podiumsgespräch, Sonntag, 15 Uhr, mit Fachleuten und befreundeten Komponisten werden, das Feldman und seinen Einfluß auf die Neue Musik zum Thema hat.

Hilmar Schulz

Alle Veranstaltungen im Studio 10 des NDR, Oberstr. 120

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