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Wer an die Stadt am Kap denkt, lächelt

In Kapstadt hat man guter Hoffnung einen Wettlauf mit der Zeit begonnen: Man will vom IOC den Zuschlag für Olympia 2004. Das Verkaufsargument: „Spiele für Afrika“  ■ Aus Kapstadt Kordula Doerfler

Vom 16. Stock des Metlife Building hat man einen atemberaubenden Blick. Auf der einen Seite sieht man die Tafelbucht und den Hafen, auf der anderen die Stadt mit der imposanten Kulisse des Tafelbergs. Wer hier steht, weiß, warum Kapstadt als eine der ansehnlichsten Städte der Welt gilt. Für die Schönheiten der ältesten europäischen Siedlung in Südafrika hat man im 16. Stock jedoch kaum Zeit – es sei denn, es geht darum, sie zu vermarkten.

In der Hochhausetage direkt am Kapstädter Hafen residiert das südafrikanische Olympiabüro, das die Bewerbung für die Spiele 2004 erarbeiten soll. Neun Männer und zwei Frauen gehören zu dem Bewerbungsteam, das ein ehrgeiziges Ziel verfolgt: Zum erstenmal in der Geschichte sollen Olympische Spiele auf dem afrikanischen Kontinent stattfinden.

Daß sich mit diesem Anspruch möglicherweise Pluspunkte bei den Göttern im IOC machen lassen, hat auch Chris Ball (56) erkannt, der neue Chef des Bewerbungsteams. Nach seiner Berufung im Juni letzten Jahres änderte der Bankmanager sofort das Konzept. Ein neues Logo wurde entworfen, das in bunten Federstrichen den afrikanischen Kontinent andeutet, mit einem roten Fixpunkt ganz unten links: Kapstadt.

Die innersüdafrikanische Konkurrenz – Johannesburg und Durban – war da längst aus dem Rennen, da sie weder über die touristischen Schönheiten noch über die vergleichsweise gute Infrastruktur von Kapstadt verfügen. „Touristen aus Übersee wollen nicht nach Johannesburg, die wollen nach Kapstadt“, sagt Chris Ball – und hat vor seinem Fenster die beste Anschauung dafür. Sein Büro liegt in einem restaurierten viktorianischen Haus mitten in der Waterfront, der Amüsiermeile von Kapstadt. Zur südafrikanischen Hochsaison schieben sich hier tagtäglich Tausende von Menschen durch die Kneipen, Geschäfte und Restaurants. Der Wiederaufbau eines stillgelegten Teils des Hafens, der anfänglich sehr umstritten war, ist mittlerweile so erfolgreich, daß noch brachliegende Gebiete jetzt bereits komplett verplant sind.

Kapstadt boomt. Seit dem Machtwechsel in Südafrika vor knapp zwei Jahren strömen Reisende aus aller Welt herbei, um sich an den endlosen Stränden zweier Ozeane, in den Bergen oder auf den Weingütern im Hinterland zu vergnügen. Während Johannesburg wegen ständig ansteigender Kriminalität immer mehr gemieden wird, gibt es wohl kaum einen ausländischen Touristen, der nicht am Kap der Guten Hoffnung war. „Die Menschen lächeln, wenn sie an Kapstadt denken“, sagt Chris Ball, „diese Stadt berührt einen emotional.“

Die enormen Schwierigkeiten des Transformationsprozesses nach dem Ende der Apartheid- Zeit sind hier weit weg. Was Touristen normalerweise zu sehen bekommen, hat mit der Realität von Südafrika wenig zu tun. Während Johannesburg sich zur schwarzafrikanischen Großstadt wandelt, ist Kapstadt weiß und vergleichsweise sicher. Die Townships liegen weit außerhalb der Stadt und bilden immer noch eine eigene Welt. Nur die ganz mutigen Spieler der deutschen Fußball-Elf trauten sich Mitte Dezember zum Training mit schwarzen und farbigen Jugendlichen ins Township Khayelitsha. Der Rest blieb da, wo Kapstadt am feinsten ist: im kolonialen Mount Nelson Hotel in der Innenstadt, das selbst Kanzler Kohl zu teuer war.

Bis zum Jahr 2004 plant man eine Vervierfachung der Touristenzahl in Südafrika. Sie soll dann bei mehr als fünf Millionen im Jahr liegen. Und man setzt auf das internationale Renommee des Präsidenten, auch wenn Nelson Mandela dann längst nicht mehr im Amt sein wird. Daß das allein nicht ausreicht, weiß Chris Ball: Auch die Berliner Olympiabewerbung setzte auf die Vermarktung eines historischen Wunders, das aber wenig später niemanden mehr interessierte. „Wir müssen eine technisch und finanziell absolut einwandfreie Bewerbung vorlegen“, bleut Ball seinem Team ein.

Die finanziellen Spielräume sind eng. „Wir können keine Luxusspiele veranstalten. Wir können keine Super-Highways oder ähnliches bauen und wollen auch nicht Kapstadt neu planen“, sagt Chris Ball. „Aber wir können eine solide Bewerbung einreichen, die sich finanziell rechnet.“ Die Gesamteinnahmen aus Fernsehrechten, Eintrittskartenverkauf und Geldern von Sponsoren werden mit 1,68 Milliarden Mark veranschlagt. (Zum Vergleich: Atlanta 2,2 Milliarden; Sydney 1,4 Milliarden). Bei weitem die größte Einnahmequelle wären die Fernsehrechte. Daneben werden 750.000 zahlende Besucher erwartet.

Die Ausgaben sollen nach derzeitigen Berechnungen bei 1,16 Milliarden Mark liegen. Mit dem angenommenen Bruttoüberschuß von einer halben Milliarde Mark sollen die Sportstätten verbessert und neu gebaut (201 Millionen Mark), ein Hausbauprogramm finanziert (60 Millionen Mark) sowie eine Reserve von 221 Millionen Mark angelegt werden. Unterm Strich, so hoffen optimistisch die Kapstädter Planer, möge ein Nettoüberschuß von 37,6 Millionen Mark übrig bleiben.

Dringend gesucht werden vom Olympiateam Sponsoren. Als erster internationaler Konzern wurde Mercedes-Benz Südafrika gewonnen: Die hundertprozentige Tochter der deutschen Daimler- Benz AG stellte vier Millionen Mark zur Verfügung. Jürgen Schrempp, dem Vorstandsvorsitzenden des Konzerns, liegt nicht zuletzt wegen seiner engen Beziehungen zu Südafrika einiges daran, daß Kapstadt den Zuschlag bekommt. Auch Manpower stellt man zur Verfügung: Zuständig für logistische Planung im Kapstädter Olympiateam ist Manfred Gundlach, langjähriger Daimler-Manager, der zuvor jahrelang für den Konzern den Ostblock bearbeitet hatte.

Auch andere internationale Konzerne haben Unterstützung zugesagt, darunter IBM und Siemens. Bis März spätestens muß das Finanzierungskonzept stehen; im April soll die Bewerbung der südafrikanischen Regierung vorgelegt werden. „Dieser ganze Prozeß ist ein Wettlauf mit der Zeit“, sagt Manfred Gundlach. Im Metlife Building wird fast rund um die Uhr dafür gearbeitet. Von den Schönheiten Kapstadts hat der Deutsche noch nicht viel gesehen.

Rund 500 Leute arbeiten im Moment an der Bewerbung, suchen nach Freiflächen, machen Umweltuntersuchungen und versuchen Eigentumsverhältnisse zu klären. Stichtag ist der 15. August. Dann muß die Bewerbung fertig und beim Internationalen Olympischen Komitee eingereicht sein. Das IOC wählt im Februar kommenden Jahres vier Städte aus. Die endgültige Entscheidung fällt im September 1997 in Lausanne.

Eines müssen die Olympiaplaner nicht fürchten: nennenswerten Widerstand der Bevölkerung. Den gibt es nicht. Seitdem Südafrika im vergangenen Jahr mit der Rugby-WM erstmals ein internationales Sportgroßereignis ausgetragen und dann auch noch gewonnen hat, ist die Sportbegeisterung bei Schwarzen wie Weißen kaum zu bremsen. 80 Prozent aller „Capetonians“ sind nach einer jüngsten Umfrage für die Spiele.

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