: Hans wird ein guter Mensch
■ Zum 30. Januar, Tag der Machtergreifung durch die NSDAP, zeigt das Kino 46 einen ideologisch korrekten DEFA-Streifen
1925 taten sie sich zusammen: BASF, Hoechst, Agfa und die Chemische Fabrik Griesheim Elektron. Die Fusion bekam einen Namen von zweifelhaftem Ruhm: IG Farbenindustrie Aktiengesellschaft. 214 Beteiligungsgesellschaften gehörten schließlich zur IG Farben. Und ein eigenes KZ. Im Lager Monowitz starben 370.000 Menschen – durch „medizinische“ Experimente, an den Folgen der Zwangsarbeit, der Herstellung des kriegswichtigen synthetischen Kautschuks. Schon 1932 klopfte das Chemiekartell bei den Nazis an und machte sich mit 44 Millionen Reichsmark lieb Kind. Nach Hitlers Machtergreifung bedankte die NSDAP sich mit der Übernahme von Investitionskosten und der Abnahmegarantie für die IG Farben-Produkte. Im Angebot z.B.: Sprengstoffe und Giftgas, Zyklon B.
„Einheitspackung für Auschwitz“ heißt es auf einem Giftgas-Behälter, der Hans Scholz auf dem riesigen IG Farben-Gelände in die Hände fällt. Scholz ist Chemiker und forscht in der Giftgas-Abteilung – reine Wissenschaft, versteht sich. Wozu seine Erkenntnisse eingesetzt werden, weiß er nicht. Bis zu dem Zeitpunkt, wo er das Gift versandfertig in Händen hält und es ihm wie Schuppen von den Augen fällt.
So holzschnittartig geht es nun mal zu in einem DEFA-Film von 1950. „Der Rat der Götter“ (Regie: Kurt Maetzig) zeichnet Aufstieg und Fall des Konzerns von 1933 bis 1948 nach. Fall? Besser: Sortimentsumstellung, denn als Ludwigshafen 1945 in Schutt und Asche lag, stand die Fabrik noch. Und bald hatten die Amerikaner die Firma lizenziert. Bei DEFA-Produktionen durften keine Mißverständnisse aufkommen in Sachen korrekter politischer Haltung. Der „Rat der Götter“, wie sich das Gremium aus spitzbärtigem Seniorchef, hochrangigen Speichelleckern und geschniegelten Generälen gerne tituliert (man konferiert vor einem Gobelin mit antiker Götterdarstellung), ist schon für Kinder ab 6 als Übel in Reinkultur zu identifizieren. Ein paar mustergültige Proletarier gibt es, die verbotene Feindsender hören, einen degenerierten Schweizer, der die Gewinne des Konzerns – namentlich wird er nie genannt – auf eidgenössischen Konten sichert. Und den gewissenlosen Amerikaner, der mit IG Farben Geschäfte macht, ob Deutschland nun Kriegsgegner ist oder nicht. Und der sogar dafür sorgt, daß der Ankläger bei den Nürnberger Prozessen ausgetauscht wird, weil der mit ein wenig zuviel Vehemenz den unrühmlichen Verquickungen nazi-deutscher und amerikanischer Konzerne nachgespürt hat. Besonders denjenigen von IG Farben und Standard Oil. Der Vorwurf: An dem Flugbenzin, das alliierte Flieger verbrauchten, um deutsche Städte zu bombardieren, verdiente IG Farben mit.
Doch die geballte Chemie-Macht hilft nichts, als schließlich Arbeiter vor den Toren aufmarschieren und der Regisseur plötzlich internationale (China, Warschauer Pakt) Heerscharen aus dem Filmarchiv aufmarschieren läßt. „Der Rat der Götter“ ist ästhetisch belanglos, auch die IG-Farben-Chronik läßt sich kaum in 110 Minuten erzählen. Interessant macht den Film bloß der Abstand von 46 Jahren, der ihn von 1996 trennt.
Alexander Musik
heute und morgen, 18.30 Uhr, Kino 46, Waller Heerstr. 46
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