„Ich will steuern und nicht rudern“

■ Die neue Umwelt- und Sozialministerin Margarethe Nimsch ist bemüht, in ihrem Amt eine grüne Familienatmosphäre erst gar nicht aufkommen zu lassen

Fischer, Plottnitz, Blaul, Nimsch – das Wiesbadener Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit ist zweifelsohne eine Art Stammsitz grüner Realpolitik. Seit Fischers Amtsantritt 1985 hat sich im Besuchszimmer nichts verändert: dieselben Bilder, die schäbigen Chromrohrsessel, die Pfeffer-und-Salz-Teppichfliesen. Nur die Halbwertszeit der Ministerkarrieren ist bedenklich gesunken – Fischer brachte es auf neun Amtsjahre, Iris Blaul kapitulierte nach nur fünf Monaten.

Margarethe Nimsch ist rund vier Monate im Amt. Von Blaul übernahm sie nicht nur den Chefsessel, sondern eine ebenso desaströse wie kostspielige Männerriege. Blauls Lebensgefährte Wenzel Meyer wechselte vom Büroleiter zur Abteilung Immissionsschutz. Die Frage nach der Zusammenarbeit mit Mayer beantwortet Nimsch diplomatisch: „Herr Meyer ist mir als kompetenter Mitarbeiter bekannt.“ Nimsch, der die Opposition nun keine grünen Beziehungskisten oder sonstige Verstrickungen mit dem Personal vorwerfen kann, wahrt die Distanz. „Ich bin bekannt dafür, daß ich nicht aus der Hüfte schieße.“ „Farblos“ nennt das die Opposition. Und die Wadenbeißer von der Union weisen gerne auf die „ausgemachte Hilflosigkeit“ hin, mit der sie um sich blicke, wenn es gelte, in den Ausschüssen Sachfragen zu beantworten.

Eine Portion „Hilflosigkeit“ war schon mit im Spiel, als Nimsch am vergangenen Sonntag, nach dem gravierenden Störfall bei der Hoechst AG, die Frage von Greenpeace nach Sinn oder Unsinn der Produktion karzinogener Pflanzenschutzmittel mit dem Verweis auf fehlende Kompetenzen der Landesregierung unbeantwortet ließ. Und in der Fraktion sprangen die Umweltexperten am Tag danach im Quadrat, als Nimsch die Hoechst AG noch dafür lobte, daß der Konzern sofort zugegeben habe, daß es sich bei dem freigesetzten Isoproturon um eine gesundheitsgefährdende Substanz handele. Das Gegenteil, nämlich die Verharmlosung der Chemikalie als „mindergiftig“, war der Fall gewesen. Kommunikationsprobleme zwischen Fraktion und Ministerin? Falschinformationen aus der Fachabteilung? Ihr erster großer Auftritt bei ihrem ureigenen, auf ihr Ministerium zugeschnittenen Thema, nämlich der Verknüpfung der Umweltproblematik mit dem Thema Gesundheit, war in der Tat keine Sternstunde bündnisgrüner Politik.

„Ruhig und sachlich“ sei die Amtsführung geworden, loben sie dagegen die MitarbeiterInnen im Sozialministerium, die sich von ihrer Vorgängerin zugunsten des Umweltministeriums vernachlässigt und übergangen fühlten. Sie seien froh, daß die neue Chefin eine „grüne Familienatmosphäre“ gar nicht erst aufkommen lasse. Sie wolle außerdem „nicht alles selber machen“, wisse nicht alles vorher und besser, frage um Rat und habe mit ihnen geredet. Nimsch sieht das selbst so: „Ich will steuern und nicht rudern.“ Dazu müsse sie ihre Rolle im komplizierten Geflecht von Opposition, Koalition, zerstrittener Grünen-Fraktion und Ministerium „erst noch finden“. Daß sie „keine Volksrednerin“ sei, sagen auch ihre engsten FreundInnen. Aber sie habe „Stil und Standing“.

Nimsch, deren Qualifikation als Drogenpolitikerin unbestritten war, mußte sich in den vergangenen Wochen vor allem gegen den Vorwurf der Ahnungslosigkeit in der Umweltpolitik zur Wehr setzen. Sie könne inzwischen, sagt sie, nur ganz leicht bissig, immerhin Uran und Plutonium unterscheiden: „Das eine ist giftiger als das andere.“ Und erinnert daran, daß sie als Frankfurter Gesundheitsdezernentin auch zuständig für Trinkwasser war. Diese Qualifikation wird ihr auch zugute kommen, wenn sie im März einen eigenen Gesetzentwurf zur Öko-Steuer vorlegen wird.

Daß gerade im Sozialbereich an allen Ecken und Enden gespart wird, sieht sie auch als eine Chance. Es fließe sehr viel Geld als gesetzlich abgesicherte Pflichtleistung in die Kassen der großen karitativen Organisationen: „Das hatte seine Berechtigung aus der Geschichte der Arbeiterbewegung.“ Kleinen Gruppen dagegen würden jetzt die freiwilligen Leistungen gestrichen. Die jedoch hätten, wie zum Beispiel die Aids- Hilfe, „bessere Antworten“ auf soziale Probleme gefunden. Das hält sie nicht nur für „demokratischer und politischer“, sondern auch für „ein grünes Thema“, aber: „Ich bin nicht so ehrgeizig, alles gleich umzustoßen.“ Heide Platen