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Großkoalition auf Blindflug

■ Unleserlicher Bildungs-Haushalt beschlossen / Grüne und AfB boykottierten Sitzung

Zum Eklat hat gestern die Haushaltsberatung in der Bildungsdeputation geführt. Die vier Deputierten der Oppositionsfraktionen Grüne und AfB verließen unter Protest die Sitzung. „Der vorgelegte Bildungshaushalt ist nicht beratungsfähig“, erklärten sie anschließend auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, „er verstößt gegen die wichtigsten Haushaltsprinzipien wie die zeitliche Bindung, Jährlichkeit, Vollständigkeit, Wahrheit und Klarheit.“ Elke Kröning (AfB) und Helmut Zachau (Grüne) waren sich einig: „Für diesen Blödsinn gibt es keine gesetzliche Grundlage.“ Die alleine zurückgebliebenen Deputierten von SPD und CDU beschlossen den vorgelegten Bildungshaushalt dennoch einstimmig.

Als besonders „empörend“ empfand die Opposition, daß in der Vorlage von Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs die vom Senat einstimmig beschlossenen Ausgaben-Eckwerte für ihr Ressort maßlos überzogen werden, für mögliche Einsparmaßnahmen dagegen lediglich eine Ideensammlung mitgeliefert wurde, die keinerlei konkrete Beträge nennt. Auf rund 34 Millionen Mark summiert sich die von Kahrs geplante Überziehung des Bildungsetats allein im Bereich der konsumtiven Ausgaben (Bafög, Privatschulförderung, Lehr- und Lernmittel usw.) für das Jahr 1996. Das entspricht rund 40 Prozent des vom Senat festgelegten Eckwerts für diesen Bereich.

Außerdem will die Bildungssenatorin rund 28 Millionen Mark an ungedeckten Mehrausgaben, die im vergangenen Jahr aufgelaufen sind, fast vollständig auf spätere Haushalte bis ins Jahr 1999 verschieben. „Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen das in der Landeshaushaltsordnung festgeschriebene Prinzip der Jährlichkeit“, meinen die Oppositions-Deputierten Kröning und Zachau, „da die Senatorin nicht bereit war, die Vorlage zurückzuziehen und zu überarbeiten, haben wir uns nicht in der Lage gesehen, über diese gesetzwidrigen Vorlagen abzustimmen“. Beide Fraktionen wollen nun juristische Schritte gegen das Vorgehen der Senatorin prüfen.

Die reagierte gestern gelassen auf solche Drohung. „Einen Haushalt saniert man nicht mit dem Gericht“, weiß sie. Zwar übersteige ihr konsumtiver Haushaltsentwurf tatsächlich den auch mit ihrer Stimme im Senat festgelegten Eckwert um 40 Prozent, doch dies käme nicht überraschend. Kahrs: „Ich habe das schon in der Senatssitzung zu Protokoll gegeben und auch erklärt, daß die Jährlichkeit nicht einhaltbar sein wird.“

Ursache dafür sei der Koalitionsbeschluß, die Privatschulförderung nicht zu kürzen. Da die Bafög-Zahlungen zudem gesetzlich festgelegt sind, gehe kein Weg an einer Erhöhung der Eckwerte für das Bildungsressort vorbei. „Zehn Millionen Mark mehr würden reichen“, meint Kahrs. Formalrechtlich sei ihr Haushaltsentwurf jedoch auch in der gestern vorgelegten Form in Ordnung. Kahrs: „Daß er nicht realistisch ist, das ist eine andere Frage.“

Und auch dafür, daß der Deputation die entscheidende Vorlage gestern handschriftlich und zum Teil unleserlich präsentiert wurde, hat Kahrs eine einfache Erklärung: „Das hat mit dem großen Druck zu tun, der im Ressort herrscht.“ Es sei eben noch nicht „jedes Referat voll technisch ausgestattet.“

Die Deputierten der Opposition fanden die unleserliche Vorlage überhaupt nicht lustig. „Wir fühlen uns mißbraucht, wenn wir beschließen sollen, was wir gar nicht lesen können“, klagte die AfB-Deputierte Elke Kröning. Ihre SPD-Kollegin Ulrike Hövelmann hatte dagegen kein Problem, der Vorlage trotzdem zuzustimmen. „Wenn alles leserlich gewesen wäre, was hätte das geändert?“, fragt sie. Der „als Theaterdonner inszenierte“ Auszug der Opposition sei angesichts der gewaltigen Probleme bei der Finanzierung des Bremer Bildungshaushalts „einfach lächerlich“. Ase

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