: Solidarpakt vertagt
■ GEW und ÖTV beginnen gegen Sparpolitik zu mobilisieren
Die Bremer GEW ist auf Krawall. „Weitere Kürzungen im Bildungsbereich sind politisch verantwortungslos“ wetterte die GEW-Vorsitzende Erika Bosecker gestern auf einer Personalversammlung. Noch im Mai 1995, also vor den Wahlen, so erinnerte die GEW-Vorsitzende, habe Bringfriede Kahrs, damals noch Bildungssprecherin der SPD, versprochen, daß in vier Jahren 900 Lehrerstellen wieder besetzt werden würden. In dem jüngst beschlossenen Haushalt 1996/7 sei keine einzige Neueinstellung vorgesehen.
In dem von einem der GEW-Sprecher, Jan Bücking, vorgelegten Resolutionsentwurf heißt es dann auch, daß die GEW den Haushaltsplan strikt ablehnt und die Schulen zu Aktionen auffordert. Der Etatentwurf bedeute „eine Aufkündigung der zugesagten Mindestausstattung der Schulen und erschwert die Weiterarbeit an Reformen in unerträglicher Weise“. Das Durchschnittsalter des Lehrpersonals liegt derzeit bei 49 Jahren, die GEW verlangt deshalb einen Einstellungskorridor für 95 freiwerdende Stellen zum Sommer 1996. Dies hatte Bildungssenator Scherf der GEW einmal zugesagt, unter der Solidarpakt-Idee des Bürgermeisters Scherf ist diese Zusage infrage gestellt worden. Ein „Protest- und Aktionstag kurz vor den Osterferien“ soll die Antwort auf diese Bildungspolitik sein, fordert die GEW-Personalversammlung.
Auch die ÖTV hat in scharfem Ton ihre Interpretation der Ergebnisse der Solidarpakt-Verhandlungen an ihre Mitglieder weitergegeben: An dem Tarifabschluß 1996 sei auch für Bremen nicht zu rütteln, betont die ÖTV, „es ist lediglich eine Umwandlung von Teilen des Einkommenszuwachses in Freizeit möglich“. Die eingesparten Mittel, so die ÖTV in der Mitgliederinformation, „dürfen nicht zur Haushaltssanierung eingesetzt werden“, sondern „ausschließlich und nachweisbar zur Beschäftigungssicherung“. Letzteres allerdings ist der einzige Grund, warum das Rathaus oder auch die SKP mit den Gewerkschaften reden wollte.
Eigentlich sollte der Senat heute über das Vorverhandlungsergebnis über einen möglichen „Solidarpakt“ beraten. In der vergangenen Woche hatte sich die CDU-Seite der Koalition aber die gewerkschaftliche Interpretation der Vorverhandlungen des Rathauses zu eigen gemacht: Staatsrat Johannes Beermann erklärte, bei dem SPD-Verhandlungsergebnis ergäben sich eine Steigerung der Personalkosten des Landes Bremen um mindestens 47 Millionen im Jahr, Sinn des „Solidarpaktes“ sollten aber Einsparungen von 31 Millionen sein. Gestern früh gab es ein vertrauliches Gespräch der Staatsräte über das Thema. Ergebnis war offenbar die Vertagung.
K.W.
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