: Lauschangriff auf die Senatsverwaltungen
■ Privattelefonate von Angestellten sollen kontrolliert werden. Datenschutzbeauftragter meldet Bedenken an
Den 175.000 Angestellten der Senatsverwaltungen geht es telefonisch an den Kragen. Wer meint, seine Privatgespräche im Zeitalter der Gebührenerhöhung über den Dienstweg abwickeln zu können, der wird mit Überwachungsplänen des Landesamtes für Informationstechnik (LIT) konfrontiert. Alle Gespräche, die außerhalb der internen Netze oder der gemieteten Standleitungen stattfinden, sollen aufgezeichnet werden. Grund: Die Telekom-Kosten müssen drastisch gesenkt werden.
Der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka hält die Pläne für „bedenklich“. Privatgespräche dürften nicht aufgezeichnet werden. Die Nummern der Angewählten dürfe man nur codiert speichern. Betroffene und der Personalrat müßten zudem einverstanden sein. Eine flächendeckende Überwachung hält Garstka für ausgeschlossen. Legitim sei nur das Speichern von Dienstgesprächen. Wenn dort festgestellt werde, daß eine Telefonrechnung sehr hoch sei und dabei nicht die gespeicherten Dienstnummern angewählt wurden, könne der Apparatinhaber dazu veranlaßt werden, „nachzuweisen, daß die Gespräche dennoch dienstlich geführt wurden“. Auch hier müsse der Personalrat eingeschaltet werden. Garstka hält die Telefonüberwachung insgesamt für problematisch, weil sie die Freiheit der Berufsausübung beeinträchtige. „Über eine solche Kontrolle muß sorgfältig diskutiert werden.“
Die Interessensverbände der Angestellten lehnen die LIT-Pläne ab. Wenn man zum privaten Talk erst ein Münztelefon aufsuchen müsse, „hat das massive Demotivationswirkungen“, sagt der Leiter des Landesverbandes der Deutschen Angestellten Gewerkschaft, Hartmut Friedrich. Grundsätzlich sei klar, „daß man was gegen die Abzocke der Telekom unternehmen muß“. Das vorgeschlagene Verfahren sei der falsche Ansatz. „Die bisherigen Regelungen reichen aus“, meint man beim Beamtenbund. Durch eine Überwachung würde nur Mißtrauen geschürt. Außerdem entstünde ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand.
Die Berliner Zeitung kontrolliert seit zwei Jahren die Telefongespräche ihrer Angestellten. Per Zufallsgenerator werden sieben Prozent aller geführten Gespräche ausgewertet. Seitdem ist die monatliche Telefonrechnung von 60.000 auf 57.000 Mark gesunken. Grundlage bildet eine Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat. Danach dürfen während der Arbeitszeit nur noch Dienstgespräche oder „dienstlich veranlaßte Privatgespräche“ geführt werden. Letzteres meint zum Beispiel den Anruf der Redakteurin beim Ehemann. Privatgespräche selbst müssen bezahlt werden. Der Anrufer gibt seine persönliche Identifizierungsnummer (PIN) ein und erhält am Monatsende eine Rechnung mit entsprechenden Belegen. „Wir haben keine Probleme“, sagt der Leiter der Nachrichtentechnik bei der Berliner Zeitung, Bernd Gudar. Bislang sei kein Mitarbeiter wegen unzulässigen Telefonierens belangt worden. Vor einem Besuch des Datenschutzbeauftragten, der seit August letzten Jahres auch für Privatunternehmen zuständig ist, hat er keine Angst. „Wir halten uns penibel an unsere Vereinbarung.“
Voraussetzung für eine derartige Abhörmöglichkeit bei den Senatsverwaltungen wäre eine digitale Telefonanlage. Bis die gut 50.000 Anschlüsse der Senatsverwaltungen soweit vernetzt sind, werden allerdings noch drei bis vier Jahre ins Land gehen. Christoph Oellers
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