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DENKmal statt DenkMAL

■ Debatte um Holocaust- Mahnmal erst am Anfang

Daß Denkmäler mehr über die Zeit ihrer Entstehung aussagen als über die Vergangenheit, auf die sie sich beziehen, zeigt in merkwürdiger Deutlichkeit das Gezänk um das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Während die einen – fünzig Jahre nach Kriegsende – das Thema mit der „sinnstiftenden“ Form einer massigen Betonplatte erledigen wollen, suchen die anderen ihr Heil in der schockartigen Inszenierung fragwürdiger Berührung. Aber was hat Monumentalität, wie Lea Rosh behauptet, mit der Größe des Verbrechens zu tun? Suggeriert die bombastische Platte nicht vielmehr, das Bekenntnis der Schuld ein für allemal geleistet zu haben? Und führt nicht die stilisierte Empörung, wie der jüngste Vorschlag des amerikanischen Künstlers George Segal, in die Tiefen horrorartiger Gefühlswelten?

Keine Frage, es braucht noch viel mehr der Sprache und der Diskussion, um das zu leisten, was das Holocaust- Denkmal will. Der Diskurs darüber ist, gerade nach dem Wettbewerb, nicht am Ende, sondern am Anfang. Das hat die Fraktion der Bonner SPD zwar richtig erkannt. Doch mit der Forderung allein nach einer neuen Auslobung scheint sie aus dem ersten „monumentalen“ Versagen nicht gelernt zu haben. Was soll, bitte schön, nach 528 eingegangenen Entwürfen denn noch Neues herauskommen? Kaum mehr als ein weiterer Streit um Grabplatten, Judenstern-Applikationen oder Güterwagen-Chiffren auf der einen und die Verweigerung der Gestaltungsversuche auf der anderen Seite.

Ein eiliger zweiter Wettbewerb oder getriebener Pragmatismus aus der Angst heraus, das Mahnmal könne „zerredet“ werden (Ignatz Bubis), wären die schlechtesten Lösungen. Statt dessen wäre es nötig, Fragen zu stellen und einer breiten Diskussion Raum zu geben – um den Denkmalsbegriff, den Gedenkort und die Geschichte sowie Geschichtlichkeit der Vernichtung. Die verschlossenen Türen der selbsternannten Hüter des Holocaust-Mahnmals müssen dabei aufgebrochen werden wie die Vorstellungen, Erinnerung an die Opfer sei nur mit äußerlichen Dimensionen zu fassen. In Berlin entstanden in den vergangenen drei Jahren – nach langen Debatten – zahlreiche Denkorte, die mit ästhetisch zurückhaltenden Mitteln die Erfahrung der Vergangenheit in die Gegenwart zurückholten. Dieser Weg sollte richtungsweisend sein. Es ist hohe Zeit für ein zentrales Mahnmal, groteskerweise sind die Köpfe noch nicht reif dafür. DENKmal statt DenkMAL ist notwendig. Rolf Lautenschläger

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