: „Wir müssen den Menschen zuhören“
■ René Préval, der heute als neuer Präsident Haitis vereidigt wird, über seinen Regierungsstil und die zukünftige Bedeutung des scheidenden Präsidenten Aristide
taz: Herr Préval, Sie reisen im Land herum und setzen sich mit den Vertretern der Volksgruppen an einen Tisch. Ist das der Stil des neuen Präsidenten?
René Préval: Wo es bereits Strukturen gibt, etwa in Deutschland, wäre es für den Staatschef nicht nötig und wohl auch nicht möglich, zu den Menschen hinzugehen, um konkret und vor Ort die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfahren. Aber hier? Man kann nicht in Port-au-Prince die Bedürfnisse der ganzen Republik Haitis kennen. Wir haben nicht nur die lokalen Vertreter der Basisorganisationen versammelt, sondern auch die Repräsentanten der Politik, der Verwaltung, der Privatwirtschaft. Alle Sektoren müssen zusammen Vorschläge ausarbeiten.
Sie gelten als pragmatisch, ehrlich und direkt. Die besten Voraussetzungen für das Amt des Präsidenten...
Ich bin einer, der gerne Resultate vorzeigen kann. Wenn ich ein Ziel habe, will ich es auch konkret erreichen – so schnell wie möglich.
Was haben Sie sich als erstes Ziel gesetzt?
Den Menschen zuzuhören. Damit wir zusammen mit ihnen ihre Bedürfnisse definieren können.
Was wird Ihre erste Amtshandlung sein, wenn Sie als Präsident vereidigt sind?
Immer noch den Menschen zuzuhören, damit wir sehen, was sie brauchen, und die Mittel finden können, das auf realistische Weise umzusetzen. Wir wollen zusammen Prioritäten setzen, damit wir sagen können: Das machen wir als erstes, zweites, drittes und viertes.
Jean-Bertrand Aristide und Sie werden oft als „Zwillingsbrüder“ bezeichnet.
Das Volk hat das gesagt, als ich Ministerpräsident war und Aristide Präsident. Das Volk erkennt sich in Aristide wieder und vielleicht auch in mir. Deshalb spricht es von Zwillingsbrüdern. Wir sind nur Zwillinge zusammen mit dem haitianischen Volk.
Was bedeutet der scheidende Präsident Aristide für Sie?
Aristide ist ein sehr großer Patriot, ein Visionär. Er hat eine Arbeit geleistet in einer Zeit, die ihre Merkmale hatte. Wir erben nun eine andere Periode, die andere Merkmale aufweist. Als Aristide im Amt war, ging es darum, die Armee zu entwaffnen. Er hat diese schwere Arbeit vollbracht. Wir werden nun andere Sachen vollbringen müssen. Doch wir wollen zusammen mit Aristide arbeiten, wir wollen seinen Rat hören.
Welche Rolle könnte Aristide nach seinem Rücktritt spielen?
Ich weiß, daß er in jedem Fall auf der Seite des Volkes stehen wird, um zu helfen, die Situation zu analysieren und Lösungen vorzuschlagen. Interview: Christian Jacobsen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen