: Vom Vater zum lieben Papi
■ Ein neues Projekt in Neukölln berät Männer, die Schwierigkeiten mit ihrer Vater-Rolle haben. Viele kommen erst, wenn sie Probleme in ihrer Beziehung haben
Plötzlich war alles ganz anders.“ Als Kurt Weißhaupt mit seiner Tochter aus dem Urlaub zurückkommt, sieht er „alle Felle davonschwimmen“: Seine Lebensgefährtin und Mutter der Tochter hat sich von ihm getrennt, er muß die gemeinsame Wohnung verlassen. Auf das Sorgerecht für das damals zweieinhalbjährige Kind hat er als Nichtverheirateter keine Aussicht. Psychisch ist er am Boden, körperlich auch, weil er obendrein schwerkrank geworden ist. Heute, ein Jahr nach der Trennung, ist Weißhaupt klar: „Mich hat es nicht ganz so hart erwischt wie viele andere Väter.“ Der 36jährige Erzieher arbeitet im neuen Väter-Projekt in Neukölln und bekommt die Sorgen anderer Männer zu hören, die ihre Kinder oft gar nicht mehr sehen dürfen.
Die Berliner Väter Initiative hat ein bundesweit einmaliges Projekt eröffnet: Professionelle Beratungs- und Begegnungsstätte für Männer, die sich „aktiv mit ihrem Vater-sein-Wollen oder Nicht-Vater-sein-Können“ auseinandersetzen wollen.
Fünf MitarbeiterInnen sind in der Neuköllner Allerstraße für Einzelberatung ebenso da wie für Selbsthilfegruppen. Das Team arbeitet ausschließlich auf ABM-Basis, vom Senat oder von kirchlicher Seite – der Trägerverein „Berliner Väter Initiative“ ist Mitglied im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg – fließt kaum Geld.
„Vater, was ist das?“ Diese Frage will das Projekt helfen zu beantworten, umreißt Horst Schmeil, Leiter des Projekts, die Aufgabe. Diese verstehen seine MitarbeiterInnen – allesamt ausgebildete Fachkräfte aus dem Sozialbereich – auch präventiv. Nein, „Geburtsvorbereitung bieten wir nicht an“, schränkt Schmeil ein. Aber immerhin rechtliche Beratung für „Noch- nicht-Väter“, die über ihre Rechte in einer nichtehelichen Beziehung aufgeklärt werden wollen. Oder die nicht die traditionelle Vater- Rolle leben wollen: Tagsüber arbeiten, abends auf der Couch liegen, während sich die Partnerin ums Kind kümmert.
Meist finden Männer erst den Weg in die Beratungsstelle, wenn Probleme da sind. Die Erfahrung in der „Väter-K.I.B.“ (Kontakt, Information, Beratung), die die Väter Initiative 1992 in Berlin-Mitte eingerichtet hat, habe dies gezeigt. Vielen, die dort um Rat suchen, verweigern die Mütter den Umgang mit den Kindern. Wenn Fundamentales wie Sorgerecht oder Unterhaltsfragen geklärt sind, „tasten wir uns ganz vorsichtig in andere Bereiche vor“, sagt Diplom- Psychologe Schmeil: Beziehung zum Kind nach der Trennung, Umgang mit der Ex-Partnerin.
„Ich fühlte mich voll erpreßbar“, erinnert sich Kurt Weißhaupt an die erste Zeit nach der Trennung. Nachdem er seit der Geburt die Tochter miterzogen hat, „bin ich nun das, was ich nie sein wollte: ein Wochenendpapa.“
Zwei Tage in der Woche darf er sein Kind sehen – und weiß diese außergerichtliche Regelung mit der Mutter sogar zu schätzen. Rein rechtlich hätte er ohne Trauschein nämlich keinen Anspruch auf Kontakt mit dem Kind, wenn die Mutter nicht will. Deshalb rät er heute anderen Vätern, die mit Trennungsproblemen zu ihm in das Väter-Projekt kommen, zu ähnlich gütlicher Einigung: „Mit Druck und Wut kommt noch weniger raus.“ Bernd Kastner
Väter-Projekt Neukölln, Allerstraße 18/19, 12049 Berlin, Telefon und Fax 621 87 58, geöffnet montags 14 bis 18 Uhr, donnerstags 13 bis 17 Uhr.
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