: Händekneten, Füßescharren
Eine Mädchenliebe, ohne viel Aufheben erzählt: „Two Girls In Love“, das herzerwärmende Spielfilm-Debut von Maria Maggenti ■ Von Thomas Winkler
Die erste Liebe, Sie wissen schon: An die man wenige Jahre später im besten Fall wehmütig zurückdenkt. Und im schlechtesten: wie konnte man nur so blöd sein. Doch bei komplizierten Abwehrbehauptungen ist Maria Maggenti noch lange nicht angekommen. Die 32jährige hat ihren ersten abendfüllenden Spielfilm ihrer ersten großen Liebe gewidmet. Für eine Postkarte mögen 60.000 Dollar etwas teuer erscheinen, für einen Film ist es wahrhaftig nicht viel.
Der Film heißt „Two Girls In Love“ und ist ein Film über eine erste große Liebe. Über die verstohlenen Blicke auf dem Schulhof. Über verschämten Voyeurismus auf der Toilette. Über das Händekneten und Füßescharren bei der ersten Begegnung. Über das Lieblingsbuch, die Lieblingsband, von denen man unbedingt wollte, daß der andere sie so liebt wie man selbst. Über den allerersten Kuß und die Aufregung darüber und den Kaugummi, den man dabei aus dem Mund zu nehmen vergessen hat. Über den ersten Auftritt bei den fremden Eltern und all die anderen Peinlichkeiten und all die Mißverständnisse, die unvermeidbar zu sein scheinen.
All das hat Maggenti zwar ganz konventionell gefilmt, aber so rührend, daß einem ohn' Unterlaß das Herz ganz weich wird. So daß man ständig schmunzeln muß, zum einen über das, was man sieht, zum anderen über das, was man erinnert. Was „Two Girls In Love“ aber heraushebt aus den Fließbandschmonzetten, ist die Tatsache, daß sich hier zwei 17jährige Mädchen ineinander verlieben. Und vor allem der Umstand, daß daraus kein Aufheben gemacht wird. Ob lesbisch oder schwul, hetero oder bi, jeder und jede kommentiert im Laufe des Films den schicken weißen Pick-up-Truck von Evie mit den Worten „nice car“.
„I'm not gay, I'm just in love“, erzählt Evie, die wohlerzogene Tochter einer alleinerziehenden, schwarzen Karrierefrau, ihren Freundinnen, die wiederum als dreiköpfiger Chor wie in einem griechischen Drama den Lauf der Dinge kommentieren müssen. „Ich glaube, du bist verflucht“, meint eine von ihnen. Zu Hause bei der ahnungslosen Mutter dreht sich beim Abendessen die Sushi- Platte, und klassische Musik tröpfelt aus der Hi-Fi-Anlage. „You are so sheltered“, sagt Randy zu ihr. „Unshelter me“, antwortet Evie.
Randy ist weiß und das, was man hierzulande als burschikos bezeichnet, in Amerika nennen sie das „tomboy“. Sie jobbt an einer Tankstelle, trägt ausschließlich Latzhosen und hört Punkrock. Bisher trieb sie sich mit einer verheirateten Frau auf dem Tankstellenklo herum. Deren eifersüchtiger Mann packt Randy schon mal am Kragen. Daß sie eine Frau ist, spielt selbst für diesen Redneck keine Rolle. Sie lebt bei ihrer Tante, die sich abends, breitbeinig im Monteurs-Blaumann am Küchentisch sitzend, erst mal ein Bier köpft, und deren Lebensgefährtin. Wenn wieder einmal Randys Schulabschluß gefährdet ist, reagiert ihre Tante ebensowenig einfühlsam wie ein klassischer Ernährer. Zwischenzeitlich zieht eine Freundin ein, die ihren Mann zum wiederholten Mal verlassen hat und im Garten das Boxen übt. Es geht so chaotisch zu wie bei Hempels unterm Sofa, aber eben auch so normal.
Homophobie aber ist für die „Two Girls In Love“ immer noch ein Problem, wenn auch weniger durch direkten Druck. Die Vorurteile werden nicht mehr ausgesprochen, Evies Freundinnen steht einfach der Mund offen, unter fadenscheinigen Ausreden kündigen sie ihr die Freundschaft. Nur als Randy und Evie im Café sitzen, wagen sie es kaum, sich an den Händen zu fassen, verraten der Blick der Kellnerin und die unsichere Reaktion der Mädchen mehr über tatsächliche Diskriminierung, als es jeder Ku-Klux-Klan-Auftritt könnte.
Mit ungeheurer Selbstsicherheit geht Maggenti über einige der Konflikte hinweg, die in ihrem Plot eigentlich angelegt sind. Die Hautfarbe ist kein Thema, weder für Randy und Evie noch für ihre Freundinnen oder die Eltern. Die Liebe muß hier nicht Rassenschranken überwinden, die Liebe hier ist nicht glamourös, sondern zugleich zärtlich und schmerzhaft, wahrhaftig eben und fast zu real, um noch Kino zu sein. Und wenn uns der Film nach einem plötzlich recht unwirklich erscheinenden, furiosen Screwball- Finale entläßt, wissen wir zwar, daß die Liebe gesiegt hat, aber wir spüren auch sehr genau, daß uns niemand versprochen hat, sie würde ewig dauern.
Niemand hat uns für dumm verkauft.
„Two Girls In Love.“ Regie und Buch: Maria Maggenti. Mit Laurel Holloman, Nicole Parker, Kate Stafford, Sabrina Artel, Toby Poser, Nelson Rodriguez, USA 1995, 95 Min.
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