: Wer verschließt die Augen?
■ betr.: „Urteile und Vorurteile“ (Der Lübecker Anschlag und die Einseitigkeit der Medien), taz vom 23. 1. 96
Dieser Kommentar hat mir schier den Atem verschlagen, denn Herrn Semler fehlt offensichtlich das geringste Gespür dafür, daß die von ihm beklagte „Einseitigkeit der Berichterstattung“ jetzt erst recht zu konstatieren ist.
Ohne die sichtbare Spur eines Zweifels wird landauf, landab der als Täter präsentierte libanesische Flüchtling auch als solcher akzeptiert, und etwaige Ungereimtheiten in der Geschichte fallen dem mit Inbrunst propagierten Glauben an die Selbstheilungskraft des Augenschließens zum Opfer, wobei verdrehterweise diejenigen, die ihre Augen mit einer Portion Skepsis nach wie vor offenhalten, der Blindheit beschuldigt werden.
Also, wer hier die Augen tatsächlich verschlossen hält, darüber müßte gestritten werden. Hermine Jöst, Berlin
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