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Briten fürchten, das Beispiel könnte Schule machen

■ Der Verband britischer Rinderzüchter reagierte mit Entsetzen auf das deutsche Importverbot: „Was sollen wir denn noch tun, damit die Deutschen zufrieden sind?“

Auf der Jahreshauptversammlung des britischen Bauernverbandes löste die Nachricht des deutschen Einfuhrverbots Wutgeheul aus. „Ich bin entsetzt“, sagte Verbandspräsident David Naish, „daß ein Land, das sich selbst als proeuropäischstes Mitglied der EU bezeichnet, illegale Maßnahmen ergreift, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehren.“ Und Martin Burtt, Rinderzüchter aus Yorkshire und Vorsitzender des Viehausschusses, fügte hinzu: „Es ist eine Schande. Wir haben alles Erdenkliche unternommen, um britisches Rindfleisch so gefahrlos wie möglich zu machen. Was sollen wir denn noch tun, damit die Deutschen zufrieden sind?“

Selbst wenn sämtliche Bundesländer einen Importstopp verhängen, würde das die britische Rindfleischindustrie allerdings nicht sonderlich treffen: Lediglich 400 Tonnen im Jahr gehen nach Deutschland. Man hat aber Angst, daß andere Länder dem deutschen Beispiel folgen könnten – zum Beispiel Frankreich, das 1995 100.000 Tonnen Rindfleisch über den Ärmelkanal geholt hat.

Das Landwirtschaftsministerium reagierte gestern noch zurückhaltend. „Das ist Sache der deutschen Regierung und der Europäischen Kommission“, sagte ein Sprecher. „Ein einseitiges deutsches Einfuhrverbot würde gegen das Gesetz verstoßen, und wir sind sicher, daß die Europäische Kommission entsprechende Maßnahmen ergreifen würde.“

Insgesamt bringt die Rindfleischausfuhr Großbritannien umgerechnet rund eine Milliarde Mark im Jahr ein. Nicht alle Fleischexporteure halten jedoch das deutsche Einfuhrverbot für übertrieben. „Es ist eine kluge Maßnahme“, sagte Ken Bell, Fleisch- und Fischfabrikant aus dem nordenglischen Newcastle, gestern zur taz. „Die britische Regierung hat das ja geradezu herausgefordert. Die deutsche Öffentlichkeit ist zum Glück nicht derselben staatlichen Propagandakampagne ausgesetzt wie hierzulande.“

Diese Kampagne hätte wohl auch Erfolg gehabt, wenn nicht im vergangenen Dezember der pensionierte tierärztliche Berater der Regierung, Bernard Tomlinson, eine Übertragung der Krankheit auf den Menschen nicht mehr länger ausschließen wollte. Seitdem ist der Rindfleischverbrauch in Großbritannien wieder deutlich zurückgegangen, viele Schulen haben Beef vom Speiseplan gestrichen. „Man kann Rindfleisch nur dann Unbedenklichkeit bescheinigen, wenn man es untersucht“, sagt Ken Bell. „Vielleicht kann Deutschland auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle spielen.“

Bell finanziert die Forschungen des Mikrobiologen Harash Narang, der von der britischen Regierung aus fadenscheinigen Gründen kaltgestellt worden ist. Narang hat einen Post-mortem-Test entwickelt, mit dessen Hilfe man innerhalb von einer halben Stunde feststellen kann, ob ein Tier infiziert ist. Als er damit ankam, entließ ihn das staatliche Gesundheitsamt kurzerhand.

Seitdem wird ihm jede Kooperation verweigert: Er darf kein staatliches Labor betreten und erhält keine Gewebeproben infizierter Rinder. Es geht ums Geld: Stimmt Narangs Hochrechnung, daß ein Viertel des britischen Rinderbestands infiziert ist, kämen auf die Regierung Schadensersatzzahlungen in Höhe von umgerechnet drei Milliarden Mark zu.

Obwohl man seine Arbeit behindert, hat Narang inzwischen auch einen Urintest entwickelt, mit dem man schwammförmige Enzephalopathien bei Mensch und Tier diagnostizieren kann. Die britische Regierung hat desinteressiert abgewinkt. Ralf Sotscheck, Dublin

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