Dreck im Meer als Chance

■ Aus arbeitslosen Kapitänen werden Experten im maritimen Umweltschutz

Als Kapitäne haben sie gelernt, wie man Müll, Öl und Kacke über Bord gehen läßt, ohne erwischt zu werden. In Zukunft sollen sie als Experten für maritimen Umweltschutz unter anderem verhindern, daß ihre Kollegen solche Umweltsauereien weiterführen.

19 arbeitslose Kapitäne und Schiffsingenieure drücken zur Zeit in einem Weiterbildungslehrgang in der Hafenfachschule die Schulbank. Die meisten haben ihren Job auf der Kommandobrücke verloren oder aufgegeben, weil die Reedereien ihre Schiffe ausgeflaggt und dabei Löhne und Sozialleistungen beschnitten haben. Das Geschäft auf See sei in den vergangenen 10 Jahren härter geworden, sagt Christian Bahlke. Auf manchen Reisen komme die Mannschaft ein halbes Jahr lang nicht von Bord, berichtet der 38jährige. So wie die Seefahrt zur Zeit laufe, verspürt der Vater eines kleinen Sohnes wenig Sehnsucht, wieder als Kapitän auf große Fahrt zu gehen wie früher, als er auf einem Vermessungsschiff von Europa nach Südafrika fuhr. Schon damals habe er sich Gedanken über die Müllentsorgung an Bord gemacht. Als er aber einen Schredder forderte, um die Abfälle zu zerkleinern und leichter an Bord lagern zu können, habe die Reederei abgewinkt: Zu teuer.

Für die meisten Kursteilnehmer sei Ökologie jedoch vorher ein Fremdwort gewesen, sagt Jens-Peter Harbrecht. Der Projektleiter hält den Schutz der Meere für einen zukunftsträchtigen Markt. Arbeitsamt und EU zahlen jeweils 200.000 Mark für den Kurs. Damit könne er hochkarätige Experten als Lehrkräfte bezahlen, sagt Harbrecht. Zusätzlich trägt das Arbeitsamt 400.000 Mark Unterhaltskosten für die Kapitäne, die auf deutschen Schiffen bis zu 10.000 Mark monatlich verdient haben.

Leute mit Erfahrung auf See seien geeignet, die Einhaltung des internationalen Seeschutzvertrages MARPOL oder auch Gefahrguttransporte zu kontrollieren, sagt Harbrecht. Also steht auf dem einjährigen Lehrgangsprogramm neben Grundlagen in Meeresbiologie, Meeresgeologie, Ökologie und EDV auch nationales und internationales Umweltrecht. Die europäischen Häfen haben vereinbart, jedes vierte einlaufende ausländische Schiff auf Umwelts- und Sicherheitsstandarts zu kontrollieren.

Weiteres Arbeitsfeld für die ehemaligen Kapitäne sei die Bekämpfung von Ölunfällen, erläutert Harbrecht, selbst Kapitän und Sozialwissenschaftler. Es mache keinen Sinn, sich auf einen Ölteppich etwa im Meer vor Wilhelmshaven zu stürzen. Dagegen könne man sowieso nichts machen. Stattdessen lernten die Kapitäne, wie die Strömungen das Öl verteilen könnten und welche Zonen des Wattenmeers im Falle einer Havarie bevorzugt zu schützen seien.

Die Mehrzahl der Unfälle spielten sich aber wenig spektakulär in den Häfen ab. Die Spezialfirmen, denen Absaugschiffe und anderes Spezialgerät gehörten, seien potentielle Arbeitgeber. Möglichkeiten bieten auch die Sonderstellen des Bundes und der norddeutschen Küstenländer für die Ölunfallbekämpfung mit ihren in der deutschen Bucht kreuzenden Spezialschiffen.

Von den 22 Absolventen des ersten Lehrgangs, mit dem die Berufsbezeichnung Experte im maritimen Umweltschutz eingeführt worden sei, hätte die Mehrheit einen Job gefunden, sagt Harbrecht.

Einer fahre einen Forschungskutter, legt Meßbojen aus und wertet Daten aus. Ein anderer ist im staatlichen Amt für Umwelt und Naturschutz im mecklenburgischen Warnemünde tätig. Ein weiterer Seefahrer ist in einem der klassischen Land-Jobs für Kapitäne untergekommen. Er ist Hafenmeister in einem kleinen schleswig-holsteinischen Hafen. Auch dort sei Umweltschutz und Müllentsorgung ein Thema: Sogar bei Segelschiffen schmeiße man den Dreck nicht mehr über Bord.

Die Kapitäne, die im März die Hafenfachschule verlassen, dürften mehr Probleme bei der Jobsuche haben, räumt Harbrecht ein. Viele seien weit über 40. Das sei meist die Altersgrenze, um bei öffentlichen Institutionen unterzukommen. Im Privatsektor spräche sich die neue Qualifikation aber allmählich herum. Ein Problem hat der Kursleiter aber bei einigen seiner gestandenen Kapitäne ausgemacht: Nach 20 oder 30 Jahren Seefahrt seien sie für eine Tätigkeit an Land kaum noch zu gebrauchen. Gewohnt, an Bord Chef zu sein, fehle Erfahrung in der Teamarbeit. jof