: Mit manipuliertem Mais Millionen machen
■ Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen in Norddeutschland geplant/Politik machtlos
Gentechnisch veränderte Pflanzen in freier Natur – nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit sollen in Großhansdorf und in der Nähe von Oldenburg maßgeschneiderte Pflanzen, die in der Natur so nie vorkommen würden, aus dem Gewächshaus ins Freie gebracht werden. Mit unbekannten Folgen für die Umwelt, denn niemand kann ausschließen, daß die „Kunst-Gene“ auch auf andere Pflanzen überspringen und das Öko-System nachhaltig verändern.
Besonders brisant ist die Freisetzung in Oldenburg. Dort will die „AgrEvo“, ein weltweit operierendes Gemeinschaftsunternehmen der Chemie-Giganten Hoechst und Schering, Raps, Zuckerrüben und Mais anpflanzen, die mit einem Resistenz-Gen gegen das von Hoechst hergestellte Unkrautvernichtungsmittel „Basta“ ausgestattet wurden. Der Plan der Chemieriesen: Das Breitbandherbizid „Basta“ soll im Paket mit dem resistenten Erbgut verkauft werden. Was Schering und Hoechst Umsatzmillionen verspricht, bedroht nach Meinung vieler NaturschützerInnen die Umwelt. Axel Hampe von der „BUKO Agrar-Koordination Hamburg“: „Die Grundwasservernichtenden Unkrautvernichter lassen sich dann massiv auch bei Nutzpflanzen wie Kartoffeln einsetzen, wo Unkräuter bislang mechanisch beseitigt werden mußten.“ Zudem lasse sich nicht verhindern, daß die Resistenz-Gene auf andere Pflanzen übertragen würden.
Auf diese Weise könnten möglicherweise neue aggressive herbizidresistente Unkräuter entstehen. Auch für die menschliche Gesundheit sei die Enrwicklung bedrohlich: Zwar schafften es die resistenten Nutzpflanzen, die Unkrautgifte chemisch so umzubauen, daß sie selbst den massiven Herbizid-Einsatz überleben. Ob die umgewandelten Gifte aber auch für die Menschen, die die resistenten Pflanzen verspeisen, ungefährlich seien, sei „noch völlig unklar“.
Zwar hat die „AgrEvo“ den notwendigen Antrag noch nicht bei dem für Freisetzungs-Genehmigungen zuständigen Robert-Koch-Institut in Berlin – dem Nachfolger des aufgelösten Bundesgesundheitsamtes – gestellt, doch der Freisetzungs-Freibrief ist ein Selbstgänger. Da die „AgrEvo“ sich ein vergleichbares Projekt bereits in Sachsen absegnen ließ, muß die Oldenburger Freisetzung nur in einem „vereinfachten Genehmigungsverfahren“ geprüft werden.
Im Klartext: „AgrEvo“ setzt das Robert-Koch-Institut von der Freisetzung in Kenntnis; protestiert dieses nicht binnen zwei Wochen gegen den Versuch, kann die Anpflanzung beginnen. Da das Institut – das bundesweit bereits 26 Freisetzungen an 29 Standorten genehmigte – als gentech-freundlich gilt, brauchen die ForscherInnen nicht mit Hindernissen zu rechnen.
Im zweiten Fall ist das Verfahren schon weiter. Am 24.11.1995 beantragte das zur Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft gehörende „Institut für Forstgenetik“ beim Robert-Koch-Institut die Freisetzung von Pappeln mit gentechnisch verändertem Erbgut auf dem Großhansdorfer Institutsgelände. Den Bäumen wurde ein Marker-Gen eingepflanzt, daß die Blätter hell färbt. Nach Auskunft von Bernd Appel vom Robert-Koch-Institut sollen die Genehmigungsanträge demnächst „in der Nähe des geplanten Einsatzortes öffentlich ausgelegt“ werden.
Auch die schleswig-holsteinische Landesregierung wird zu den geplanten Freisetzungen noch Stellung nehmen – zu entscheiden aber hat sie nichts. Umweltministerin Edda Müller beklagt deshalb, daß es „unbefriedigend“ sei, „daß diese Stellungnahme eine Zustimmung zum Freisetzungsversuch nicht verhindern könne“. Trotzdem werde die Landesregierung bei Freisetzungsvorhaben, an deren „Sinn, Zweck und ökologischer Unbedenklichkeit“ Zweifel beständen, „alle zur Verfügung stehenden Mittel“ nutzen, um diese „zu verhindern“. Marco Carini
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