: Strom frisch vom Erzeuger
■ Neuregelung des Elektrizitätsmarktes. Industrie bekommt Strom noch billiger. Freier Markt subventioniert AKWs
San Francisco (taz) – Ganz schön auf Draht sein müssen die BürgerInnen Kaliforniens, wollen sie künftig nicht unnötig hohe Stromrechnungen bezahlen. Ab dem 1. Januar 1998 soll für die Stromversorgung gelten, was für die Telefonleitungen schon lange gilt. Nach einem neuen Gesetz können sich VerbraucherInnen ihren Stromproduzenten aussuchen. Die Stromerzeuger geraten unter Wettbewerbsdruck.
„In den ersten fünf Jahren können allerdings nur große Kunden ihren Strom direkt vom Erzeuger kaufen“, sagt Donald Aitken von der Union Besorgter Wissenschaftler. Bis zum Jahr 2003 werden daher nur Industrie und Agrobusiness Verträge mit den Stromkonzernen aushandeln. Nach dieser Schonfrist soll dann jeder Haushalt direkten Zugang zu den Kraftwerken haben können. So steht es zumindest auf dem Papier.
Die Stromkonzerne können aber auch an Einzelkunden wie ein noch zu schaffender Pool verkaufen. Der darf jedoch keine finanziellen Interessen haben. Er kauft den günstigsten Strom, um ihn an Versorgungsunternehmen weiterzuverkaufen. Damit alle Stromerzeuger die gleichen Chancen haben, kümmert sich die „Unabhängige System Steuerung (ISO)“ um die Verbreitung des Stroms. Die muß auch gewährleisten, daß jeder Haushalt mit Elektrizität versorgt wird.
Für die industriellen Großverbraucher sinken die Stromkosten durch die direkten Verträge. Private Haushalte jedoch werden mit den Kraftwerken nich einfach handelseinig werden. Für sie sind keine besonderen Tarife vorgesehen. Das ist die große Stunde für den neuen Berufsstand der Strommakler. „Sie übernehmen für 50.000 Privathaushalte die Stromversorgung, treten somit als Großverbraucher auf und drücken den Preis“, erklärt Aitken.
Atomstrom ist zu teuer, als daß er mit den anderen Stromsorten im Pool konkurrieren könnte. Die kalifornische Regierung hat sich daher etwas einfallen lassen. Im Land des freien Marktes werden AKW mit einem Gesetz zur Wettbewerbsförderung subventioniert. Demnach findet jeder Verbraucher auf seiner Stromrechnung eine Gebühr, die den Atomstrom billiger macht. Als Gegenleistung müssen AKW ihren Strom in den Pool einspeisen. „In den Gesetzentwürfen stand immer, das neue Gesetz senkt die Stromkosten. Jetzt stellt sich heraus, daß die Kosten faktisch gleich bleiben, weil zu der Stromrechnung noch die Gebühr hinzukommt“, sagt Aitken.
Düster sieht es auch für die Zukunft regenerierbarer Energien aus. Der Sonnenstaat bezieht daraus derzeit 13 Prozent seines Stroms, Wasserkraft nicht mit eingerechnet. Dieser Anteil mußte bisher jährlich gesteigert werden. In dem Gesetz zur Neuregelung des Energiemarktes heißt es hierzu nur noch, daß „ein Minimum von erneuerbaren Energieträgern empfohlen wird.“ Ingo Malcher
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