: Die AIZ gilt als besonders gefährlich
■ Generalbundesanwalt Nehm zieht Bilanz und spannt einen weiten Bogen von der RAF über Neonazis bis zur Spionage
Karlsruhe (taz) – Generalbundesanwalt Kay Nehm lud gestern zur Bilanzpressekonfernz 1995 seiner streng bewachten Behörde nach Karlsruhe. Und flankiert von seinen drei Referatsleitern für Innere Sicherheit, Äußere Sicherheit und Revisionsstrafsachen, spannte er den „Terrorbogen“ weit: von AIZ bis RAF, von DDR (Stasi) bis zur kurdischen Arbeiterpartei PKK. Erstmals im vergangenen Jahr hätten sich die Ermittlungsverfahren und Anklageerhebungen in Sachen Links- und Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik die Waage gehalten. Auch wenn, wie Nehm betonte, insbesondere die AIZ (Antiimperialistische Zelle) als „besonders gefährlich“ einzuschätzen sei.
Insgesamt vier Anschläge gegen Politiker hätte die AIZ 1995 verübt, bei denen es „nur durch Zufall“ keine Toten gegeben habe, sagte Nehm. „Sorge“ bereite dabei die „Unberechenbarkeit“ dieser Gruppierung, deren Bekennerschreiben inzwischen den Umfang von Broschüren angenommen hätten, denen nur eine Gemeinsamkeit zu attestieren sei: Die AIZ kämpfe gegen Ungerechtigkeiten in aller Welt – und schuld daran sei immer Deutschland.
Zum „Komplex RAF“ führte der Generalbundesanwalt aus, daß er am vergangenen Dienstag beim III. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg Anklage gegen die 42 Jahre alte Journalistin Souhaila Sami Andrawes Sayeh erhoben habe. Im Zusammenhang mit der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ am 13. Oktober 1977 werde der von Norwegen an die BRD ausgelieferten Ex-Terroristin „gemeinschaftlicher erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme und Angriff auf den Luftverkehr“ sowie „gemeinschaftlicher Mord und versuchter Mord“ vorgeworfen.
Nach dem von Nehm gestern erklärten Willen der Bundesanwaltschaft soll Andrawes auch weiter die Kronzeugin der Anklage im Verfahren gegen Monika Haas in Frankfurt/Main bleiben. Andrawes habe ihre belastenden Aussagen gegen Haas schließlich vor Zeugen vorgetragen. Im Zusammenhang mit dem Anschlag der RAF auf das Gefängnis in Weiterstadt teilte Nehm mit, daß die Bundesanwaltschaft „aufgrund neuer Erkenntnisse“ ein neues Ermittlungsverfahren gegen den V-Mann des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes, Klaus Steinmetz, eingeleitet hat. Parallel dazu werde auch gegen eine frühere Freundin von Steinmetz ermittelt.
In Sachen Rechtsterrorismus ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts auf Gründung einer terroristischen Vereinigung gegen vier Verantwortliche der Hetzschrift „Bewegung in Waffen“, die zur Gründung von „Wehrwolfgruppen“ aufgerufen hätten. Ermittelt werde auch weiter im Zusammenhang mit den Briefbombenanschlägen in Unterföhring und Lübeck, in Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden in Österreich.
Mit einer neuen Anklage müsse auch der Ex-DDR-Geheimdienstchef Markus Wolf noch in diesem Jahr rechnen. Gegen die „Kundschafter des Friedens“ von Wolf, so Nehm abschließend, seien 1995 insgesamt 202 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Klaus-Peter Klingelschmitt
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