: „Ärzte an den Katzentisch“
■ Der Hirntod ist auch für Pflegepersonal auf Intensivstationen ein heikles Thema
Das Thema Organtransplantation ist so explosiv wie kaum ein anderes in der Intensivchirurgie. Es rüttelt am hergebrachten Verständnis von Leben und Sterben ebenso wie an der Frage nach der Menschenwürde. Wie heiß das Thema unter MedizinerInnen und Pflegepersonal diskutiert wird, zeigte sich auf dem „6. Internationalen Intensivmedizinischen Symposium“, das heute in Bremen zuende geht. Hier spiegeln sich die Widersprüche, die seit fünf Jahren die Verabschiedung des ersten deutschen Transplantationsgesetzes verhindern.
„Es macht mir nichts aus, einen Hirntoten zu pflegen, wenn ich weiß, daß ich damit einem anderen helfe“, vertraten am Donnerstag die einen – und ernteten Beifall im überquellenden Hörsaal des Congreß-Centrums. „Transplantation, Ethik, Pflege“ hieß die Podiumsdiskussion, bei der sich auch das Publikum, der sich Personal aus ganz Deutschland, stritt. „Sie können sagen, was Sie wollen, für mich ist der Hirntote Mensch noch nicht tot“, hielt der Pfleger aus Beckum beispielsweise dagegen. Daß die Hirntod-Diagnose immerhin auch das befreiende Ende von einer möglicherweise unwürdigen Pflegesituation auf der Intensivstation bedeuten könne, machte ihn zwar nachdenklich. Aber vor allem blieb er skeptisch und innerlich schockiert. Daran waren vor allem die Ausführungen der Journalistin Feyerabend aus Essen schuld. Sie bezeichnete den Hirntod als einen „produktiven Tod“ – weil dessen Definition vor allem für die Organentnahme bedeutsam sei. „Man muß sich fragen, was mit einer Gesellschaft geschieht, die den menschlichen Körper zur Ressource erklärt?“. Ebenso wie die grüne Bundespolitikerin Monika Knoche stellte sie die Frage, wohin dieses System führen soll, das die Gehirnfunktion für wichtiger als alle anderen halte. Doch mit Szenarien von Gewebetransplantationen, die durch die Verwendung gehirntoter Föten möglich sei, brachte sie auch ihr nachdenkliches Publikum auf: Auch wer für die Hirntod-Diagnose als Schlußstrich unter einer oft langwierigen Intensiv-Behandlung ist, auch wer für Organtransplantation eintritt, will sich dennoch keine Böswilligkeit unterstellen lassen.
Gebe es kein Transplantationsgesetz, das endlich die Bedingungen für die Freigabe von Organen bestimmt, sei der deutsche Organ-Tourismus nämlich vorprogrammiert. Außerdem gehe es um das Wohl eines zweiten, vom Tode bedrohten Patienten. „Man muß doch auch deren Schicksal bedenken“, mahnt die Gegenseite. KritikerInnen wissen allerdings auch ein Argument dagegen: „Überschreitet die Medizin nicht ihre Grenzen, wo sie sich, statt am Wohl des Patienten zu orientieren, am Wohl eines Dritten orientiert?“, so die Parlamentarierin Knoche.
„Sie haben mit diesen Menschen doch nicht wirklich zu tun“, bekam die Diskussion daraufhin einen polemischen Unterton. Nicht zum ersten Mal. Auch die Kritik, daß Fortbildungen von medizinischem Personal von der Stiftung Organtransplantation selbst organisiert werden, die doch ein eindeutiges Interesse vertrete, frustriert die Intensiv-PflegerInnen. Die nämlich haben allesamt Not: Den Verwandten die Todesbotschaft eines Angehörigen zu überbringen und zugleich um Organspende nachzufragen, wie es fast schon üblich ist, zehrt an ihren Nerven. „Eine andere Einrichtung hat doch noch nichts vergleichbares angeboten“, sagt ein Professor von der Medizinischen Hochschule Hannover mehr als pragmatisch.
Sachlicher wird die Diskussion erst, als es um Möglichkeiten der Kontrolle geht, die nicht direkt mit der heiklen Transplantation verbunden werden. Doch das Thema „Ethikkommission“ ist das letzte eines langen Tages und nur wenige bleiben noch im Raum, um den Vortrag von Joachim Spatz, einem ehemaligen Mitarbeiter der Bremer Gesundheitsbehörde, zuzuhören. Der fordert: „Ärzte an den Katzentisch“. Nicht die Ärztekammern dürften, wie der Bock als Gärtner, die wichtigsten Personen in den Ethikkommissionen stellen. Vielmehr sollten die Kommissionen parlamentarisch besetzt werden – und zwar durch VertreterInnen der verschiedensten Berufsgruppen.
ede
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