piwik no script img

Harmloses Event

■ Korrekter Rave in der Kirche: „Crusade“

Ein Gesamtkunstwerk sollte es werden. „Ekstase nach innen und nach außen“, „Verschmelzungserlebnis“ und „unio mystica“ – Veranstalter und Beteiligte versprachen sich und anderen viel. Tatsächlich wurde es das, was kritische Kirchenmenschen befürchtet und was eher lebensweltlich orientierte Freaks erhofft hatten: eine prima Techno-Party in ungewöhnlicher „location“!

Mit einem „Kulturprogramm“ begann am Freitag abend die Premiere der Techno-, Mittelalter-, Kirchen- und Kulturbegegnungs-Veranstaltung der Nordelbischen Kirche, die demnächst in vier weiteren Städten stattfinden wird. Sphärische Musik live und aus der Konserve, Ballett und Gregorianik in der Kirche St. Katharinen – und rund 2000 Besucher warteten gut vier Stunden lang auf den berühmten Funken, der nicht überspringen wollte. Keine Mystik, keine Verschmelzung – einfach zu groß waren der Raum und die Menschenmasse, zu tief die Brüche zwischen zu vielen Programmteilen, zu laut auch das Geschnatter und Gläsergeklirre.

Übermütige Begeisterung kam so erst auf, als nach Mitternacht und bis 6.30 Uhr die DJs ihren Part spielten. Gut sichtbar und bedeutungsträchtig waren Sven Väth und Kollegen unter der Orgel plaziert, und schön viel Platz zum Austoben hatte das Publikum auf der Tanzfläche über dem Kirchengestühl. Bei angenehmer Musiklautstärke und großartiger Licht- und Lasershow erlebten Profi-Raver, Gemeindemitglieder, Lokalreporter und andere aus purer Neugier Erschienene das vielversprochene Gemeinschaftsgefühl. Die allermeisten hielten sich sogar ans Rauchverbot, und überhaupt war es ein gesundes, harmloses Event.

Anläßlich einer Techno- und Gregorianik-Party im vergangenen Jahr im Unit bezeichnete der Chorleiter Bertold Höcker die Diskothek als „neuzeitliche Kathedrale“. Eine neuzeitliche Disco war während der Crusade die über 700 Jahre alte Hauptkirche St. Katharinen. Doch auch wenn's anders geplant war: Jubel und Ausgelassenheit in der Kirche – das geht doch sicher in Ordnung!

Nele-Marie Brüdgam

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen