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Die baskische ETA ist nicht telegen

Die Baskenkoalition Herri Batasuna läßt eine ETA-Botschaft als Wahlkampfspot im spanischen Fernsehen ausstrahlen – prompt diskutiert die Regierung das Verbot der Partei  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Die Baskenpolizei Ertzaintza fährt vor. Mit vermummten Gesichtern stürmen einige ein Lokal, die anderen sichern weiträumig die Straße, Gewehre für Gummigeschosse und Gasgranaten im Anschlag. „Cipayos, Cipayos“ beschimpfen die Umstehenden die Polizisten, in Anlehnung an die indischen Truppen, die mit den britischen Kolonialherren kollaborierten. Wer Erklärungen oder gar Zutritt fordert, wird weggeknüppelt.

Szenen wie am Freitag abend in Amurrio, einem kleinen baskischen Dorf, wiederholen sich dieser Tage, wo immer die linksnationalistische Wahlkoalition Herri Batasuna (HB) ein Büro oder eine Herriko Taberna – Volkskneipe – unterhält. Die Ertzaintza sucht nach Videokassetten mit dem Werbespot für die spanischen Parlamentswahlen am 3. März.

Das Video, das HB an das baskische Fernsehen ETB und an das erste staatliche Programm TVE mit der Bitte verschickte, es in den kostenlosen Wahlwerbezeiten auszustrahlen, zeigt drei vermummte ETA-Mitglieder vor einer überdimensionalen baskischen Fahne, mit dem Emblem der bewaffneten Organisation – Axt und Schlange. Pistole auf dem Tisch, erläutern sie ihre „Demokratische Alternative für den Frieden“.

Der erste Schritt: eine Amnestie für die 600 baskischen Gefangenen und den Abzug des Militärs aus dem Baskenland. Direkte Verhandlungen mit der Regierung sollen dann den Weg für „einen breiten Dialog zwischen allen politischen und sozialen Kräften des Baskenlandes“ bereiten. Das Ziel: ein neues, umfangreiches Autonomiestatut, das die vollständige Unabhängigkeit und die nationale Einheit mit den drei Baskenprovinzen in Frankreich ermöglicht. Eine Stimme aus dem „off“ faßt zusammen: „Angesichts der Wichtigkeit dieses Angebotes hat Herri Batasuna beschlossen, ihre Stimme den Autoren dieses Angebotes abzutreten.“

Innenminister Belloch will von Verhandlungen nichts wissen, das hat er nach dem Attentat auf den ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten Tomás y Valiente in der letzten Woche noch einmal bekräftigt. Statt dessen läßt der Minister nun gegen Herri Batasuna ermitteln. „Das Video ist das lange fehlende Beweisstück für die direkte Zusammenarbeit von HB und ETA.“ Es erfülle mindestens zwei Straftatbestände: „Illegale Vereinigung und Unterstützung einer bewaffneten Bande.“ Ein Verbot der Wahlkoalition sei ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Sämtlichen Fernsehsendern wurde untersagt, den Spot auszustrahlen.

„Die Repression wird uns nicht zum Schweigen bringen“ – unter diesem Motto will HB am nächsten Wochenende mit einer Kundgebung auf die Verbotsdrohungen reagieren. Die gemäßigten baskischen Parteien sehen dem Kräftemessen mit Kopfschütteln zu. „Das Gerede vom Verbot von HB beweist die vollständige Unkenntnis von dem, was hier passiert“, wirft Carlos Garaikoetxea, Vorsitzender der „Baskischen Alternative“, der Regierung González vor. „Kostenloser Wahlkampf für HB“, sagt auch die in der Region regierende Baskische Nationalistische Partei (PNV) verbittert. HB ist im Baskenland mit etwa 15 Prozent der Stimmen drittstärkste Partei.

Die großangelegte Polizeioperation jedenfalls ging gründlich daneben. Zwei Videokassetten wurden beschlagnahmt – die falschen. „Kopien spanischer Kinofilme“, gestehen die Ermittlungsbehörden kleinlaut ein. Jon Idigoras, Sprecher von HB, weiß warum: „Die letzten zwei Kopien haben wir noch am Freitag mit der Post verschickt.“ Die Empfänger: König Juan Carlos I und Regierungschef Felipe González.

Kommentar Seite 10

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