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Papas Hand, Onkels Beitrag

Malaysias Volkswagen Proton ist ein Beispiel für die mühsame Emanzipierung der dortigen Wirtschaft von japanischen Konzernen  ■ Aus Kuala Lumpur Ralf Südhoff

Als Azlan hört, daß sein Fahrgast aus Deutschland kommt, ist das kurze Aufleuchten in seinen Augen nicht zu übersehen. „Seit Monaten schon werden unsere Autos nach Deutschland exportiert, ins Land der Erfinder von Mercedes und Autobahn!“ Sogleich führt er alle Raffinessen seiner Proton-Taxe vor, die von der Klimaanlage bis zum Blaupunkt-Radio alles zu bieten hat. Und auch auf den Vater des ersten malaysischen Autos, den im Westen wegen seiner „asiatischen“ Auslegung der Menschenrechte so umstrittenen Ministerpräsidenten Mahatir, läßt er nichts kommen: „Ihr im Westen solltet mehr Respekt zeigen, Mahatir hat uns binnen zwanzig Jahren aus dem Elend geholt“, schwärmt der Taxifahrer.

So lange amtiert der 1981 angetretene Ministerpräsident der Regierungspartei UMNO zwar noch gar nicht, doch tatsächlich boomt die malaysische Wirtschaft seit den siebziger Jahren fast ohne Atempause auf dem Weg zu Mahatirs „Vision 2020“. Bis zu diesem Jahr soll sich das Schwellenland zum nächsten vollindustrialisierten Tigerstaat Asiens entwickelt haben. Azlans täglicher Arbeitsplatz ist zugleich eines der Herzstücke des gigantischen Vorhabens: seine Taxe, Marke „Perusahaan Otomobil Nasional“, made in Malaysia und kurz „Proton“ genannt.

Vor zehn Jahren lief auf Mahatirs persönliche Initiative hin der erste Wagen vom Band, und das „National Car“ war geboren. Heute ist es, wie kein anderes Produkt, Symbol des malaysischen Wirtschaftsaufschwungs mit inzwischen 900.000 verkauften Wagen. Zudem ist der rollende Nationalstolz nicht nur auf jeder malaysischen Holperstraße gegenwärtig, sondern darf weder in der allabendlichen TV-Hofberichterstattung noch auf den Souvenirgläsern nach Bierhumpenart fehlen.

Da die Regierung wie so oft auf die Zusammenarbeit mit einem ausländischen Multi gesetzt hatte, glich der erste Proton „Saga“ von 1985 dem Modell „Lancer“ des japanischen Investors Mitsubishi wie ein Golf dem anderen. Das störte zunächst niemanden. Doch bereits Anfang der neunziger Jahre machte der ernüchterte Proton- Papa Mahatir lautstark seinem Ärger über den widerspenstigen Onkel aus Japan Luft und beklagte öffentlich die schlechte Kooperation mit dem von Mitsubishi gestellten Firmenmanagement. Der erhoffte Technologietransfer war weitgehend ausgeblieben und die Fabrik in Shah Alam wenig mehr als die Montagestätte für den importierten Proton-Bausatz. In Tokio freute man sich derweil über einen raketenartigen Anstieg der Verkaufszahlen auf dem boomenden malaysischen Automarkt, wo Mitsubishi dank hoher Schutzzölle für die Konkurrenten seinen Marktanteil von 8 auf satte 70 Prozent hatte steigern können. „Malaysias Auto, Mitsubishis Profite“, wie ein malaysischer Experte meinte.

Heute ist Proton nicht mehr einfach verlängerte Werkbank. „Mehr als 70 Prozent unserer Komponenten werden inzwischen in Malaysia hergestellt“, so der amtierende – malaysische – Proton- Chef. Doch während hochwertige Komponenten etwa für Motor oder Schaltgetriebe weiterhin von Mitsubishi stammen, produzieren heimische Firmen Kofferraumabdeckungen, Gummidichtungen oder Radkappen. Die Firmen sind zudem meist hoch subventioniert und in Händen der vom Staat seit langem protegierten „Bumiputra“, der größten ethnischen Gruppe Malaysias und wichtigsten Klientel der Regierungspartei.

Waren solch ökonomische Makel schon ein heißes Eisen beim Geburtstagstalk, so kamen die ökologischen Folgen des malaysischen Autowahns erst gar nicht vor. Mit einer in der Region einmalig hohen Mobilisierung von einem Wagen auf zehn Einwohner sind nicht nur Protons Verkaufszahlen, sondern auch Energieverbrauch und CO2-Ausstoß explodiert. Eine weitere Verdopplung der Kfz-Zulassungen bis 2000 wird erwartet.

Dennoch sickert im boomverwöhnten Wirtschaftswunderland nur langsam die Einsicht durch, daß man sich nicht mehr lange auf Billigproduktionen und Ökoplünderungen wird ausruhen können. Neben allen Umweltproblemen steigt das Lohnniveau trotz repressivster Politik endlich spürbar an, und der Strom der Multis nach Malaysia ist in den letzten Jahren deutlich dünner geworden.

Denn andere Branchen wie die dominierende Elektronikindustrie stehen kaum besser da. In UMNO- Kreisen macht man sich daher langsam eine Weisheit zu eigen, die Ökonomen schon lange predigen: „Die Regierung muß statt auf ausländische Konzerne auf eine enge Kooperation mit der einheimischen Wirtschaft setzen. Dafür bedarf es aber eines einflußreichen Staates, der den Markt nicht nach ethnischen, sondern nach ökonomischen Kriterien korrigiert.“

Den Taxifahrer Azlan können solche Zukunftsdebatten nicht schrecken. Seine Augen sind in unserer gemeinsamen Stunde stop and go immer kleiner geworden, und bis zum Feierabend ist noch mancher Stau zu überstehen. Doch bald wird alles besser, meint er: „Wenn jetzt sogar Deutsche unsere Autos fahren, dann muß unsere Wirtschaft doch was taugen.“ Protons deutsche Marketingfirma sieht dies offenbar anders. Sie wirbt lieber für ein „Qualitätsauto mit japanischer Technologie“. Bisher mit mäßigem Erfolg.

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