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„Den Kerker von innen öffnen“

■ Wirtschaftspolitische Plauderrunde über ein regionales „Bündnis für Arbeit“ Von S. Winter

Zehn Punkte standen zur Diskussion, drei Stunden Zeit waren anberaumt, und binnen derer wurde die Liste des Gesprächsstoffs um zwei weitere Punkte erweitert. Kein Wunder, daß bei diesem vollen Programm für ein regionales „Bündnis für Arbeit“ die Presse erst 20 Minuten nach dem angekündigten Termin informiert wurde. Auf eine Offenbarung wartete die Journaille vergeblich: Der Entwicklungsprozeß für ein Hamburger Bündnis werde nun in Gang gesetzt, resümierte Bürgermeister Henning Voscherau die „erweiterte wirtschafts- politische Gesprächsrunde“ mit Vertretern von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Arbeitsverwaltung. „Und das freut mich.“

Dem erfreuten Bürgermeister dankte Erhard Pumm, DGB-Vorsitzender in Hamburg. Voscherau habe Verantwortung übernommen und alle Akteure an einen Tisch geholt. Pumm zeigte sich überzeugt, daß der „Kerker, in dem wir sitzen, von innen zu öffnen“ sei. Über einen entsprechenden Schlüssel machte er keine Angaben. Auch wenn es nicht in allen Details Übereinstimmung gebe, schloß sich Klaus Kemmet von der Landesvereinigung der Unternehmensverbände (LVU) seinem Vorredner an, begrüße er die Möglichkeit, die Probleme anzugehen. „Wir sind bereit, im gemeinsamen Bemühen das Machbare zu erreichen.“

Ein Schwerpunkt soll bei der Berufsausbildung von Jugendlichen liegen, so Voscherau. Er appellierte an die Betriebe, mehr Ausbildungsplätze anzubieten. Aber auch Jugendliche und deren Eltern müßten einsehen, daß nicht jedeR einen Traumberuf erlernen könne. Und von denen, die beispielsweise über vier Ausbildungsplatzangebote verfügten „und da mehrgleisig fahren“, traumwandelte der Bürgermeister, erwarte er die Fairness, die nicht benötigten Plätze rechtzeitig freizugeben. Wer dann immer noch keine Lehrstelle finde, könne durch Praktika in die Betriebe gelangen, sogar eine Übernahme der Lohnkosten durch die Stadt sei vorstellbar. Arbeitsamtsdirektor Olaf Koglin begrüßte eine solche Initiative. „Wir müssen die Jugendlichen in den Arbeitsmarkt einführen, wenn sie noch formbar sind.“

„Wir haben uns auf die Punkte gestürzt, die man in Hamburg verabreden kann“, beteuerte Bürgermeister Voscherau. Dazu gehörten die Entwicklung betriebsbezogener Arbeitszeitmodelle, die Information über Alternativen zu Entlassungen und Arbeitslosigkeit, die Nutzung wirtschaftlicher Chancen im Bereich Umwelttechnik, die Erschließung neuer Beschäftigungsfelder im Bereich der haushalts- und pflegebezogenen Dienstleistungen, die Bekämpfung der Schwarzarbeit und das Angebot von Existenzgründungsprogrammen.

Die Diskussion solle weitergeführt und verbindliche Absprachen getroffen werden, meinte Voscherau. Ein Sprecher der Handwerkskammer orakelte: „Das wird schwer.“

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