piwik no script img

Weil alles so hart ist

■ Freunde: „Les Apprentis“ von Pierre Salvadori im Panorama

Sie fallen tief, aber nicht endlos, und schon gar nicht in den Abgrund der Verhältnisse, diese zwei männlichen Musterfranzosen, deren Freundschaft in einem lauten, unromantischen, doch reichlich einheimischen Paris entsteht und wächst. Der Zufall hat sie zu Wohnungsgenossen wechselnder Quartiere gemacht. Sie werden hinausgeworfen, weil die Wohnung verkauft werden soll, sie werden zu Einbrechern, weil sie kein Geld haben. Jeder Zusammenhang wird restlos aufgeklärt.

Frankreich ist nicht mehr, was es einmal war, will Pierre Salvadori uns mit „Les Apprentis“ sagen, zeigt aber nicht, wie es sich verändert hat. Im Gegenteil, immer noch regiert die Ästhetik der Weinflasche und der niedlichen Französin. Jugendarbeitslosigkeit, Rechtsradikalismus, der Terror der radikalen Islamisten — all das kommt nicht vor. Allein die verschärft elektronische Geräuschkulisse deutet auf ein Heute hin.

Brav sind erotische Klischees zur Anwendung gebracht worden: Antoine (François Cluzet) liebt Valérie, die er seit viereinhalb Jahren nicht gesehen hat. In einer nächtlichen Szene, die sehr intensiv sein soll, erzählt er Fred (Guillaume Dépardieu), wie er einmal mit ihr im Bett lag und von Valéries kleiner Kusine überrascht wurde, die sich dann zu ihnen gesellte. Schön „pervers“ findet Fred das und windet sich vergnügt im Halbdunkel auf dem breiten Bett.

Irgendwann bricht Antoine zusammen, weil alles so hart ist. Es fehlt der Schlaf, eine bezahlbare Wohnung und die Liebe. Im Krankenhaus kuriert er seinen Kollaps aus und will nur noch zu seiner Mama, wo er dann trübselig vor der Glotze abhängt. Aber Fred holt Antoine aus der Regression heraus und ins richtige Freunschaftsleben wieder hinein. „Les Apprentis“ (etwa: Die Lehrlinge) will uns nämlich davon überzeugen, daß es sich nicht nur lohnt, an Freundschaft zu glauben, sondern an diesem Glauben auch dann noch festzuhalten, wenn einer von beiden ihn verloren hat. Wer durchhält, gewinnt. Wenn es so einfach wäre! Ina Hartwig

„Les Apprentis“, Frankreich 1995, Regie: Pierre Salvadori

Heute um 17 Uhr im International

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen