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Kindheitsschrecken

■ Todd Solondz‘ „Dollhouse“ (Forum)

Die Vorgärten sind saftig, Bands üben tatsächlich in der Garage, und Feste werden mit zünftigen Barbecues gefeiert. Aber in der beschaulichen amerikanischen Vorstadt wütet diesmal nicht Freddy Krueger, sondern das ganz alltägliche Grauen des Erwachsenwerdens. Für die elfjährige Dawn hat das Leben einiges vorgesehen: Mitschülerinnen, die sie als „Lesbe“ beschimpfen und sie zwingen, ihren Stuhlgang vor ihren Augen zu verrichten: „Because you're ugly“.

Ein Ekelpaket von Bruder, triezende Eltern, eine kleine Schwester, die der Liebling aller ist, und fordert: „Dawn soll in eine Besserungsanstalt“. Und Ihre Brille ist dick und häßlich und aus Horn. Einzige Erholung für Dawn sind ihre Träume, die sich ausgerechnet auf den viel älteren, singenden und sowieso unerreichbaren Langhaarschönling richten, der ein ebenso unangenehmer Zeitgenosse ist wie alle anderen.

Gemeinerweise will sich aber beim Zusehen selbst für Dawn nur die Sympathie des kleinsten Übels einstellen, zu doof, verklemmt und unselbstständig ist sie, zu sehr erinnert sie einen wahrscheinlich auch an Teile der eigenen Kindheit, die man längst erfolgreich verdrängt hat. Todd Solondz findet dazu nur glatte, detailbesessene Bilder: kleinste Schmierereien auf dem Schulspind, die bedrückende Atmosphäre in der Aula.

Erst vor kurzem gewann „Willkommen im Puppenhaus“ (Welcome to the Dollhouse) einen Preis beim Sundance Festival. Einer der letztjährigen Sieger, „Living in Oblivion“, war einer der großen Publikumserfolge der Berlinale 1995. Das wird Solondz' Film nicht passieren, denn zu böse und hinterlistig läßt er kaum eine menschliche Schwäche aus. Mit scheinbar konventionellen Mitteln, einem fast einschläfernden Erzähltempo und nur sparsam eingesetzter Satire zerstört er das letzte Heiligtum, das dem home of the brave, land of the free noch geblieben ist. Die Familie wird entlarvt und lächerlich gemacht, die Keimzelle der Gesellschaft degradiert zur Deformierungsanstalt. Thomas Winkler

„Willkommen im Puppenhaus“, USA 1995, 87 Min., Regie: Todd Solondz

Heute um 17 Uhr in der Akademie der Künste, am 24.2. um 17 Uhr im Babylon im Zeughauskino

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