piwik no script img

Kinderkram Verfassungsschutz

■ Streit um PDS-Abgeordneten Over für Ausschußamt

Kann ein Abgeordneter dazu gezwungen werden, sich einer Sicherheitsüberprüfung durch den Verfassungsschutz zu unterziehen? Wenn es nach dem Willen der CDU geht, ja. Man ändere die Parlamentarische Geschäftsordnung, und fertig ist der verfassungsschutzkonforme Abgeordnete. Nach Ansicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen indes ist das ein hoffnungsloses Unterfangen, weil es verfassungsrechtlich nicht umsetzbar sei.

Stein des Anstoßes ist der PDS- Abgeordnete Frederik Over, der am Donnerstag zum stellvertretenden Vorsitzenden des Parlamentarischen Ausschusses für Verfassungsschutz gewählt werden soll. Der 28jährige widersetzt sich einer freiwilligen Sicherheitsüberprüfung durch den Verfassungsschutz und hat angekündigt, die Arbeit des Ausschusses „möglichst öffentlich“ zu machen. Weil der PDS das Amt laut Parlamentarischer Geschäftsordnung zusteht, können die anderen Fraktionen den vorgeschlagenen Bewerber nur ablehnen. Genau das wird die CDU am Donnerstag tun. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dagegen wird Overs Wahl zustimmen.

Die CDU will prüfen, ob der unliebsame radikal-Leser, Hausbesetzer und Geschäftsführer eines selbstverwalteten Getränkevertriebs namens KGB per Änderung der Parlamentarischen Geschäftsordnung zu einer Überprüfung gezwungen werden kann. Der rechtspolitische Sprecher Andreas Gram sieht darin keine Verletzung der Rechte der freigewählten Abgeordneten. Denn schließlich gehe es darum, den Ausschuß arbeitsfähig zu halten. „Wenn Over im Ausschuß sitzt“, so Grams Befürchtung, „wird der Verfassungsschutz keine Informationen mehr geben.“

Bestätigung findet die CDU absurderweise bei den Grünen, die sich bei ihrer Wahl in den Verfassungsschutzausschuß freiwillig überprüfen ließen. „Wir haben die Bögen nicht vollständig ausgefüllt und keine Gewährspersonen benannt“, räumt Renate Künast ein. Doch wenn der zu kontrollierende Verfassungsschutz per Sicherheitsüberpüfung entscheiden könnte, wer ihn kontrollieren darf, so Künast, würde man „den Bock zum Gärtner machen“. Deshalb werde ihre Fraktion Over wählen, auch wenn man mit ihm „nicht ganz glücklich“ sei. Over hatte vor einigen Tagen geäußert, daß sich der Senat „scheinbar in der Gründungsphase einer kriminellen Vereinigung“ befände.

Die PDS-Fraktion sieht der Wahl am Donnerstag gelassen entgegen. „Das ist Kinderkram“, so der Kommentar des Fraktionsvorsitzenden Harald Wolf. „Das ist eine Neuauflage des Theaters, als die AL in den Verfassungsschutzausschuß einzog.“ Nachdem der Verfassungsschutz in den 80er Jahren gar nicht kontrolliert worden war, weil CDU und SPD die Alternative Liste nicht beteiligen wollten, wurde 1987 nach jahrelanger öffentlicher Kritik eine „Parlamentarische Kontrollkommission“ (PKK) eingeführt. Unter Rot- Grün wurde dann 1989 ein Ausschuß gegründet. Kommt die CDU mit ihrer angestrebten Änderung der Geschäftsordnung nicht durch, erwägen die Christdemokraten, den Ausschuß wieder in eine PKK zurückzuverwandeln. Barbara Bollwahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen