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Merkwürdige Welten

■ „Unser Dorf soll schöner werden“ im Ernst-Deutsch-Theater und ein „Kinder-Ring“ im Theater für Kinder

Unser Dorf soll schöner werden

Daß er den Dorf-Geschniegeltheits-Wettbewerb damals angeleiert hat, darauf ist Hubert Fängewisch ordentlich stolz. Häuser und Gärten auf Trab gebracht, die Kinder von der Blödenschule zur Konkurrenz ins Nachbardorf geschickt, und die Ausländer waren auch gleich damit einverstanden, mal einen Tag im Haus zu bleiben. Das war vielleicht ein Erfolg!

Da war der Hubert noch der Held des Dorfes! Doch seitdem Sohn Dirk das „Asyljantenheim“ angesteckt hat und die Zeitungen auch noch von Fängewischs Feiern zu Führers Geburtstag schrieben, seitdem schneiden ihn die Nachbarn. Dabei hatten die alle mitgefeiert! Und den Kleinen ist doch die Haut schon wieder fein angewachsen!

Auf der Bühne des Ernst-Deutsch-Theaters sitzt Stefan Wigger als Hubert Fängewisch in Rippenhemd, Jogginghose und mit Hosenträgern auf seinem braunen Kunstleder-Ohrensessel. Er blättert ein bißchen in der Hörzu, drückt auf der Fernseher-Fernbedienung herum und hat erstmal richtig gute Laune: Die Mia ist beim Frauenkegeln – endlich sturmfreie Bude. Während des kurzweiligen 90minütigen Monologs wechseln Huberts Launen dann schnell – von fröhlichem Übermut zu Enttäuschung und Trauer.

Bei der Hamburg-Premiere am Mittwoch – die Inszenierung ist eine Koproduktion mit dem Deutschen Theater Göttingen – fühlten die meisten Zuschauer sich vor allem gut unterhalten. Denn überhaupt nicht tragisch, sondern einfach glaubwürdig spielt Wigger die vom Theaterautor Klaus Chatten entworfene Rolle eines drolligen pensionierten Bergarbeiters, der sein naiv-faschistoides Welt-Unverständnis zum besten gibt. Eine Type, von der man sich gut vorstellen kann, wie sie Familienparties mit derbem Witz in Gange hält.

Schon vom Aussehen her ist der Schauspieler perfekt an Huberts Stelle: bierfreudige Körperformen, ein etwas verbrauchtes, aber verschmitztes Gesicht, 63 Jahre, irgendwie widerlich und irgendwie zum Knuddeln. Wie Wigger sich mit vorgeschobenem Unterkiefer empört, wie er die Arme schwenkend eine Geburtstagshymne singt, das wirkt authentisch und zeugt von sensibler Arbeit des Regisseurs Heinz Engels.

„Wie soll man mit Leuten wie Hubert bloß umgehen?“ – die Frage kreist einem nach dem Theaterabend im Hirn herum. Im Falle des Ernst-Deutsch-Theaters gesellt sich dann noch eine zweite Frage dazu: „Haben sich die anderen Zuschauer wirklich nur vergnügt, oder stellen sie auch fest, daß Hubert nicht nur witzig ist?“

Nele-Marie Brüdgam

Raub des Rheingolds

Zwei Stunden lang angespannte Ruhe, dann langanhaltender Applaus und Trampeln von Kinderfüßen – der Raub des Rheingolds nach Richard Wagner im Theater für Kinder wurde bei der Premiere am Mittwoch begeistert aufgenommen. Die Inszenierung von Elmar Ottenthal und Martin Brandl basiert auf einer von Barbara Hass erstellten Textgrundlage. Hass ist es gelungen, Handlungsstränge aus Wagners gewichtiger vierteiliger Oper Ring des Nibelungen in ein zweiteiliges Theaterstück für Kinder umzuschreiben. Die Musik Wagners, für dieses Stück hauptsächlich auf Orgel übersetzt, wird vom Band eingespielt. Der zweite Teil der Sequenz, Siegfrieds Kampf, wird ab 16. April zu sehen sein.

Der Raub des Rheingolds besticht durch seine opulente Bildhaftigkeit, die es gerade jüngeren Kindern ermöglicht, einer Handlung zu folgen, die sprachlich für sie nicht ganz verständlich sein mag. So entstehen immer wieder Standbilder, die Figuren in räumlichen Konstellationen einfrieren. Überlegt ausgewählte Kostüme unterstützen diese visuelle Charakterisierung der Figuren. Aus dem Ensemble, dessen rundes Zusammenspiel beeindruckte, besonders hervorzuheben ist Julia Blechinger als wendig-agiler Loge. Die Götter Donner (Hans H. Rückert) und Froh (Ottokar Reisch) geben ein zum Lachen reizendes Brüderpaar ab.

Eine kluge Inszenierung also, in der auch die Beleuchtung effektvoll eingesetzt wurde. Unbefriedigend blieb allerdings die Einbindung der Musik, die im besten Falle einfach nur untermalend nebenherlief, im schlechteren Falle die zu Zeiten ohnehin akustisch schwer verständlichen Dialoge übertönte.

Dem jungen Publikum neben der Handlung die Musik und die gerade für Wagner spezifische Verflechtung von Text und Musik näher zu bringen gelingt auf diese Weise nicht. So stellt sich dann doch die Frage: Warum eigentlich Wagner für Kinder?

Elke Siegel

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