: Luxus-Yachten für Berufspendler
■ Verkehrszukunft auf der Elbe: In Katamaran-Schnellfähren nach Stade Von Florian Marten
Stade im Stundentakt, mit 60 Stundenkilometern auf dem Wasser und in nur 45 Minuten Fahrzeit – voraussichtlich schon im Mai werden zwei Katamaran-Schnellboote mit Platz für 220 Menschen und 30 Fahrräder zwischen Landungsbrücken und Stadersand via Dasa und Lühe ein neues Verkehrszeitalter anbrechen lassen. Schlägt das Projekt ein, wollen die Initiatoren mit ihrem neuen Konzept an die glorreichen Zeiten der Elb-Dampfschiffahrt zwischen Boizenburg und Glückstadt anknüpfen.
Während das Hamburger Rathaus dem Techno-Fieberwahn des Stelzensurfers Transrapid immer stärker erliegt, ließ sich der ebenso bodenständige wie weitsichtige Schwergutreeder Hans Heinrich vom Schiffahrtskontor Altes Land (SAL) durch keinerlei Widerstände beirren. Seine Idee einer Schnellfähre steht kurz vor der Verwirklichung. Jens Wrage von der Stadtreederei HADAG, die nach anfänglichem Widerstand jetzt voll mit im Boot ist, resümiert zufrieden: „Unsere Lösung des Verkehrsproblems ist ziemlich intelligent: Der Fahrweg ist schon da. Wir nehmen die kürzeste Strecke und wollen mindestens 15 Prozent der Autopendler aus dem Raum Stade von der Straße holen.“
Nach ersten Probefahrten 1994 mit einem etwas klapprigen und lauten Katamaran entschlossen sich Heinrich und die Hadag für den Kauf von zwei eigens für die Elbe entwickelten Schnellbooten des norwegischen Spezialisten Linstöl Skip, die zudem von der deutschen Yacht-Werft Abeking & Rasmussen in Lemwerder mit betreut werden. Technik, die begeistert: Sanft säuselnde MTU-Diesel vom Bodensee, ein auf die behende fließende Flachpfütze Elbe ausgerichtete Rumpfkonstruktion, welche bei Höchstgeschwindigkeit eine Bugwelle von gerade mal 30 Zentimetern aufschichtet, Wellen von bis zu zweieinhalb Metern Höhe wegschluckt und über spezielle Schalldämpfer verfügt, die den Lärm weit unter Binnenschiffsniveau drücken.
Das Projekt will, ganz anders als der Transrapid, auch wirtschaftlich überzeugen: Nur 5,35 Millionen Mark kostet ein Schiff (eine Straßenbahn 4 Millionen), der Fahrweg ist umsonst (Autobahnen bis zu 150 Millionen pro Kilometer); und mit nur 18 hochqualifizierten Beschäftigten will die neue Schiffsgesellschaft bis über 500.000 Fahrgäste pro Jahr befördern – fast die Hälfte davon Berufspendler.
Die einzigen Wermutstropfen: Mit 6,6 Liter Diesel pro Fahrgast und 100 Streckenkilometer (bei 60 Prozent Auslastung) liegt der Energieverbrauch im PKW-Bereich. Und: Die Fahrpreise orientieren sich am DB-Normal-Niveau: 30 Mark kostet die Rückfahrkarte HH – Stade, 260 Mark eine Monatskarte.
Frühestens nach drei Jahren wollen Hadag und SAL das Projekt bei wirtschaftlicher Erfolglosigkeit stoppen. Viel wahrscheinlicher ist ihnen jedoch eine ganz andere Vision: „Eigentlich brauchen wir schon recht bald ein drittes Schiff.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen