: Auftrieb für Israels Opposition
■ Hamas-Attentat zeigt Wirkungen. Mehrheit im israelischen Kabinett fordert, die Autonomiegebiete auf Dauer abzuriegeln. Der Ruf nach Trennung zwischen Palästinensern und Israelis wird lauter
Jerusalem (AFP/taz) – Nach den beiden Anschlägen in Israel ist Ministerpräsident Schimon Peres gestern in den eigenen Reihen unter Druck geraten. Mehrere Minister seiner Arbeiterpartei sprachen sich für eine dauerhafte Abriegelung der palästinensischen Autonomiegebiete aus. Zugleich stieg die Popularität von Oppositionschef Benjamin Netanjahu drei Monate vor den vorgezogenen Neuwahlen sprunghaft an. In Ost- Jerusalem fuhr gestern ein Palästinenser mit dem Auto in eine Bushaltestelle und richtete ein Blutbad unter den wartenden Menschen an, bevor er selbst von Passanten erschossen wurde. Möglicherweise handelte es sich um ein neues Attentat.
Spezialisten der Polizei prüften, ob das Fahrzeug eine Autobombe enthielt, fanden jedoch keinen Hinweis darauf. Der in Israel zugelassene Fiat Uno war auf die Wartenden zugerast, die an einer Haltestelle des französischen Viertels im israelisch besetzten Teil Ost-Jerusalems standen. Der staatliche Rundfunk meldete, bei dem Zwischenfall seien drei Menschen getötet und ungefähr zehn verletzt worden. Der Fahrer sei von bewaffneten Zivilisten und wartenden Soldaten erschossen worden.
Polizeiminister Mosche Schahal forderte gestern eine dauerhafte Abriegelung der besetzten Gebiete, um „zu einer Trennung der israelischen und palästinensischen Bevölkerung zu gelangen“. Auch Außenminister Barak sprach sich für „eine langfristige Trennung“ von Israelis und Palästinensern aus. Ein Regierungsmitglied sagte, eine Mehrheit im Kabinett habe sich am Sonntag für eine dauerhafte Abriegelung der palästinensischen Autonomiegebiete, Gaza- Streifen und Westjordanland, ausgesprochen, „um den Wahlsieg der Arbeiterpartei sicherzustellen“. Peres hat bislang eine Trennung von Israelis und Palästinensern stets abgelehnt, weil dies „den Terroristen“ in die Hände spiele. Die nach den Attentaten am Sonntag verhängte Abriegelung der Palästinensergebiete soll nach Angaben israelischer Militärs mindestens zwei Wochen sowie während der jüdischen Feiertage und der Wahlen in Israel am 29. Mai bestehen bleiben. Einer von der Tagezeitung Jediot Aharonot veröffentlichten Erhebung zufolge, die wenige Stunden nach den beiden Anschlägen vorgenommen worden war, würden derzeit 43 Prozent der Israelis Netanjahu und 46 Prozent Peres ihre Stimme geben. Vor den Anschlägen in Jerusalem und Aschkalon lag der Chef des Likud- Blocks in der Wählergunst 15 Prozentpunkte hinter Peres. Vertreter der Arbeiterpartei rechneten dennoch nicht mit einem dauerhaften Meinungsumschwung, da die Befragten am Sonntag unter dem unmittelbaren Eindruck der Attentate gestanden hätten. Bei den zwei von palästinensischen Selbstmordattentätern begangenen Bombenanschlägen waren 27 Menschen getötet und 84 weitere verletzt worden. Von ihnen befanden sich am Montag noch neun Personen in Lebensgefahr.
Nach Angaben des israelischen Militärradios soll es sich bei dem Drahtzieher der beiden Anschläge vom Sonntag um den 28jährigen Mohieddin el Scharif aus Ost-Jerusalem handeln, ein Mitglied des bewaffneten Arms von Hamas mit Namen Essedin el Kassam. Nach Scharif werde bereits seit mehreren Monaten gefahndet, hieß es unter Berufung auf den Geheimdienst Schin Beth weiter. Sein Vater, zwei seiner Brüder und einer seiner Cousins seien vor einigen Wochen festgenommen worden. Scharif wird nach Angaben des Radios vorgeworfen, Mittelsmann zwischen dem mittlerweile getöteten Bombenbauer der Hamas, Jahja Ajasch, und den beiden Selbstmordattentätern gewesen zu sein, die die Anschläge am 21. August in Jerusalem und am 24. Juli in Ramat Gan bei Tel Aviv begingen. Nach Angaben eines Vertreters der Palästinenser-Polizei wurden seit Sonntag nachmittag in den Autonomiegebieten 37 Hamas-Aktivisten festgenommen.
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