"Mit mir gibt es am Zoo keine Hochhäuser"

■ Interview mit Peter Strieder (SPD), Senator für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie: Schloßplatz soll fünfzehn Jahre "Provisorium" bleiben. "Regierungsghetto" am Spreebogen "für eine mo

taz: Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hat vor wenigen Tagen gesagt, auf der Spreeinsel vor dem Palast der Republik müsse innerhalb von zwei Jahren über eine Bebauung entschieden werden. Ist der Stadtentwicklungssenator der gleichen Meinung?

Peter Strieder: Der Ort des ehemaligen Schlosses ist einer der wichtigsten Plätze Berlins. Der braucht eine öffentliche Nutzung. Es gibt viele Ideen, aber alles ist finanziell völlig unrealistisch. Für eine Bebauung braucht man mindestens eine Milliarde Mark und die hat weder das Land Berlin noch der Bund. Selbst wenn es ein Nutzungskonzept gäbe, wird es für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre keine Finanzierungsmöglichkeit geben – weder für den Wiederaufbau des Schlosses noch für ein modernes Gebäude. Deshalb gibt es in dieser Frage keine Entscheidungsnotwendigkeit. Man muß vielmehr mit dem Gelände so umgehen, wie es jetzt ist. Wir müssen diesen Platz entsiegeln, müssen ihn begrünen, die Nutzung als Rummelplatz beenden und könnten dort in Leichtbauweise eine Ausstellungshalle errichten und ein Café, um daraus einen attraktiven Ort zu machen. Das ist ein Provisorium und soll als Provisorium angelegt werden.

Und der Palast bleibt stehen?

Richtig. Auch da gilt: Wenn man kein Konzept hat, ist der Abriß des Palastes völlig sinnlos. Selbst wenn man den Palast der Republik abreißen würden, dann ist nur der Platz davor noch größer, aber Berlin hat damit noch überhaupt nichts gewonnen. Für die Funktionsfähigkeit eines zehn- bis fünfzehnjährigen Provisoriums brauchen wir auch den Palast, damit es dort am Platz nicht nur eine Sommernutzung gibt.

Die bisherigen Nutzungskonzepte für den Palast waren nicht sehr überzeugend.

Das stimmt. Es geht mir auch nicht um den Erhalt des Palasts, weil das ein ästhetisch besonders schönes Bauwerk ist. Mich wundert nur, wie Konservative mit diesem nationalen Denkmal umgehen, in dem schließlich die deutsche Wiedervereinigung besiegelt wurde. Daß man ein für die jüngere deutsche Geschichte wichtiges Gebäude abreißen will, aber jeden Preußenstuhl erhalten möchte, kann ich nicht verstehen.

Wenn die CDU zur Stuckoffensive bläst, werden sie sich damit auseinandersetzen müssen.

Es wird keine Stuckoffensive geben. Es wird weiterhin eine kritische Rekonstruktion geben. Die Familie Quandt ist herzlich eingeladen, das Liebermann-Haus am Brandenburger Tor, dessen Grundstück den Quandts gehört, originalgetreu wieder aufzubauen und ein Museum daraus zu machen. Ich halte es für angemessen, daß diese Industriellen-Familie, die der Bundesrepublik einen unermeßlichen Reichtum zu verdanken hat, sich bei der Bundeshauptstadt mit einer solchen Schenkung bedankt. Was nicht sein kann, ist, daß wir am Pariser Platz moderne Bauten von Frank Gehry oder Behnisch haben und denen sagen: Geht mal im Baumarkt vorbei, kauft ein paar Stuckteile und klebt die an die Fassade. Was wir brauchen, ist keine Stuckoffensive, sondern mehr Urbanität in der Stadt, also eine kleinteilige und vielfältige Mischung sowie die Parzellierung von großen Grundstücken.

Hochhäuser sind das Gegenteil von Kleinteiligkeit. In der City- West am Zoo sind sechs Hochhäuser geplant. Wird es die geben?

Wenn man das dortige Angebot an Flächen und Branchen anschaut, stellt man fest, daß es in der Konkurrenz zur City-Ost überhaupt keine Gefährdung des Standorts gibt. Deswegen macht es überhaupt keinen Sinn, das Gesicht der City-West dramatisch zu verändern. Eine europäische Stadt kann nur funktionieren, wenn man ihr die Vergangenheit, wenn man ihr die Patina und die Falten ansieht. Die City-West dadurch modernisieren zu wollen, indem man dauernd neue Hochhäuser hineinsetzt, ist nicht sinnvoll und nicht notwendig. Mit mir gibt es dort jedenfalls keine Hochhäuser.

Am Alexanderplatz hat ein städtebaulicher Wettbewerb eine Hochhaus-Skyline vorgegeben.

Am Alexanderplatz geht es vor allem darum, dort wieder eine städtische Dichte zu erzeugen und den Ort so attraktiv zu machen, daß er eine eigene wirtschaftliche Kraft entwickeln kann. Das hat der Wettbewerb geleistet, der sich an der Blockstruktur orientiert. Wir werden uns aber nicht sehr intensiv mit dem Alexanderplatz beschäftigen – auch deswegen, weil in den nächsten Jahren kein Investor dies realisieren will und die Stadt auch kein Geld hat für die erheblichen öffentlichen Arbeiten, die eine solche Bebauung erzwingt.

Wie wollen Sie erreichen, daß angesichts der Sicherheitsinteressen des Kanzlers am Spreebogen das Regierungsviertel ein demokratisch offenes Gelände bleibt?

Das werden wir im gemeinsamen Ausschuß für den Hauptstadtumzug besprechen müssen. Es muß den Bonnern klar sein, daß sie aus der Idylle in die größte und härteste Stadt Deutschlands ziehen. Das ist eine Chance für die Bonner Politik. Es wird in einer solchen Stadt nicht möglich sein, Regierungsghettos zu schaffen. Das ist auch für eine moderne Demokratie völlig wahnwitzig. Weite Absperrungen sind Unfug. Da muß man anders rangehen. Da wird beispielsweise eine Straßenbahnhaltestelle vor dem Verkehrsministerium aus Sicherheitsgründen abgelehnt, weil an der selben Stelle die Ministereinfahrt ist. Da wird man in Bonn noch einmal nachdenken müssen.

Brauchen wir den Transrapid?

Natürlich nicht. Der Transrapid ist verkehrstechnisch zwischen Hamburg und Berlin völlig unsinnig. Er wird sich auch mit den Fahrgastzahlen nie finanzieren lassen. Gleichwohl sage ich, der Transrapid ist technologisch ein sehr spannendes Projekt – allerdings nicht für Mitteleuropa geeignet, sondern für Südostasien oder die USA, wo es große Distanzen zu überwinden gilt. Wenn der Transrapid aber in Deutschland gebaut wird, dann bin ich allerdings dafür, daß er in Berlin gebaut wird, weil das Arbeitsplätze für die Stadt schafft. Außerdem kostet es Berlin kein Geld. Es gibt keine Beteiligung des Landes Berlin bei den Kosten für den Fahrweg und den Kosten für den Betrieb.

Ungelöst ist, auf welcher Trasse der Transrapid durch Berlin fährt.

Wir sind bei der Erörterung beteiligt, wie der Transrapid in das Stadtgebiet geführt wird. Natürlich gibt es einen Haufen Probleme. Die lassen sich aber lösen. Die Frage ist nur, ob der Zeitvorteil bei einer langen Fahrt durch die Stadt dann noch richtig groß ist im Verhältnis zum ICE.

Interview: Bernhard Pötter und Gerd Nowakowski