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Risse im Sarkophag größer als vermutet

■ Merkel und russische Experten tauschen zehn Jahre nach Tschernobyl Wissen aus

Bonn (taz) – Die Risse im Sarkophag des Unglücksreaktors von Tschernobyl, durch die strahlende Teilchen sickern, sind größer als vermutet. 1993 und 1994 wurden zwar viele Löcher der ursprünglich rund 1.000 Quadratmetern großen Spalten geflickt, aber dicht ist er noch lange nicht, bestätigte gestern auf einer Tagung in Bonn Alexander Borowoi vom Kurtschatow-Kernforschungszentrum in Moskau.

Um das strahlende Inventar schwappen laut Borowoi rund 3.000 Kubikmeter kontaminiertes Wasser. Dieses stammt zum Teil aus einrieselndem Regenwasser, zum Teil aus einer Sprinkleranlage, die das Verwehen radioaktiven Staubs aus den Löchern verhindern soll. Am Sarkophag wird immer noch gearbeitet. Ziel laut dem Staatskomitee für nukleare Sicherheit der Ukraine: „Das Erreichen eines beherrschbaren Zustands des Unfallblockes, damit der Strahlenschutz gewährleistet bleibt. Diesem Zweck ist bis jetzt nicht Genüge getan!“ Ein zweiter Sarkophag würde nach Studien 300 bis 600 Millionen Dollar kosten, eine Endlagerung des radioaktiven Materials etwa 2,5 Milliarden Dollar.

Nicht nur aus dem Sarkophag gelangen radioaktive Teilchen in den Fluß Pripjat und damit in den Dnjepr mit seinen großen Stauseen. Auf dem Gelände des AKW sind nach Schätzungen 500 bis 700 Kilogramm Brennstoff im Boden verscharrt, weitere 3.000 Kilo im Bereich der Sperrzone unmittelbar um den Reaktor. „Die werden von Regen und Schmelzwasser umspült“, sagt Borowoi.

Umweltministerin Merkel lobte dennoch die „robuste russische Technik“ und die „Fortschritte in der Sicherheitstechnik der Kernkraftwerke“. Gefahr droht für sie dagegen von Atomkraftgegnern: „Der Kampf gegen genehmigte Kernkraftanlagen in der BRD stellt eines der größten Gefahrenmomente dar, weil sie viele Kapazitäten bindet, um die Rechtslage zu garantieren. Diese Kapazitäten fehlen bei der Vorsorge.“ Reiner Metzger

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