: Straftäter in die Feuerwehr
■ Bremen wird nun auch in der Kriminalität mittelmäßig, freut sich der Innensenator
Die Lethargie im Lande Bremen ist auch bis in die Niederungen menschlichen Lebens gekrochen. Bankräuber, Mörder und Totschläger haben sich im vergangenen Jahr zurückgehalten. So versuchten erfreulicherweise nur 50 Menschen einen anderen Menschen umzubringen. Lediglich in 16 Fällen hatten sie Erfolg. Ein Jahr zuvor verzeichnete die Kriminalstatistik noch 58 Fälle von Mord und Totschlag.
Innensenator Ralf Borttscheller ist zufrieden. Gestern stellte er die Kriminalstatistik 1995 vor. Zwölf Jahre hatte er die statistisch erfaßten Abgründe Bremens aus der Opposition verfolgt. Zum ersten Mal durfte der CDU-Hardliner selbst das Zahlenwerk vorstellen. „Sie ist für einen Innensenator kein Anlaß, um in Jubel auszubrechen“, sagte er. Dennoch freut sich Borttscheller über seinen bescheidenen Erfolg: Unter seiner Führung ist die Gesamtkriminalität um 0,5 Prozent gesunken.
Statistisch gesehen leben die BremerhavenerInnen sicherer als die BremerInnen. Die BürgerInnen von der Küste meldeten 3,6 Prozent weniger Straftaten als 1994. In Bremen gingen 0,2 Prozent mehr zur Polizei, um ein Delikt anzuzeigen.
Die Stadt an der Weser ist damit nicht mehr Hochburg der Kriminalität in Deutschland. Vor drei Jahren schienen Raubritter die Stadt übernommen zu haben. Bremen hatte die höchste Vergewaltigungsrate in Deutschland. Nur in Frankfurt am Main und in Kiel wurde mehr gemordet und totgeschlagen als in Bremen. Die ehemals beschauliche Hansestadt lag mit der Kriminalitätsrate auf Platz zwei und drohte die Hauptstadt des Verbrechens Frankfurt einzuholen.
Im vergangenen Jahr ist Bremen weit zurückgefallen. „Wir wollen den Meistertitel nicht“, sagte Borttscheller. Mit der jüngsten Statistik liegt Bremen weit hinter Frankfurt, Hamburg und Niedersachsen. Borttscheller strebt weiteres Mittelmaß an. Wenn in Deutschland zukünftig von Raub und Mord gesprochen wird, soll niemand mehr an Bremen denken. „Wir wollen graue Maus sein“, wünscht sich der Innensenator.
Banker können hierzulande beruhigt sein. Laut Statistik haben nur zwei Bankräuber im vergangenen Jahr mit kriminellen Absichten eine Schalterhalle betreten. Vielleicht können sie mit den neuen Geldautomaten nicht umgehen. Vielleicht schrecken sie auch die verstärkten Sicherheitsapparate der Banken, wie Borttscheller vermutet.
So wie die gesamte Kriminalitätsstatistik einen eher zweifelhaften Überblick über Sicherheit und Strafverhalten gibt, trügt auch diese Zahl. Die Sicherheits-Statistiker haben die anderen Post- und Bankräuber der Raubstatistik zugeschlagen.
Ungeschönt ist dagegen die Kinder- und Jugendkriminalität. Elf Prozent mehr Kinder als 1994 gehörten zu den Tatverdächtigen, Jugendliche zwischen 14 und 18 waren ebenfalls um knapp vier Prozent krimineller. Borttscheller kann sich dies nur mit der „zunehmenden Verwahrlosung der Elternhäuser“ erklären. Der familiären Zerrüttung müßten daher Schulen und Jugendeinrichtungen entgegenwirken. Dort könnten die Jugendlichen „sinnvollen und befriedigenden Tätigkeiten“ nachgehen. Der Innensenator „fördert daher intensiv die Jugendfeuerwehren“. ufo
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