: Schlechte Karten für die Umwelt
Flächennutzung, Verkehr und Energie: Band 3 des „Berliner Umweltatlas“. Die Bilanz: Wald krank, Verkehr laut, Biotope schrumpfen. Interesse an Datenerfassung aus dem Ausland ■ Von Bernhard Pötter
Endlich ist geklärt, warum der neue Senator für Bauen, Wohnen und Verkehr, Jürgen Klemann (CDU) nicht mehr im Haus seines Amtsvorgängers Herwig Haase (CDU) residiert: Denn Klemanns Domizil am Fehrbelliner Platz ist verglichen mit der Verkehrsverwaltung An der Urania ein Kurort. Dort sausen nämlich täglich nur knapp 40.000 Autos am Fenster vorbei. An der Urania, wo der Rest der Verkehrsverwaltung immer noch sitzt, dröhnen dagegen täglich 70.000 Autos über die Straße. Und wenn die von Klemann zurückgelassenen lärmgeplagten Straßenbauer in der Mittagspause nach einem ruhigen Plätzchen im Grünen suchen, finden sie das nicht mal im Tiergarten: Dort gibt es nämlich keine einzige Stelle mehr, an der der Verkehr leiser als gesundheitsverträgliche 55 Dezibel rauscht.
Solche Informationen finden sich im dritten Band des „Umweltatlas Berlin“, den Umweltsenator Peter Strieder (SPD) gestern vorstellte. Nach Untersuchungen über Boden, Wasser, Luft und Klima in den ersten beiden Bänden hat die Umweltverwaltung nun umfangreiches Datenmaterial über Biotope, Flächennutzung, Verkehr/ Lärm und Energie zusammengetragen. Dargestellt werden die Ergebnisse auf etwa zwanzig großformatigen Berlinkarten und bieten umfassendes Material für Stadtplaner, Investoren und andere Neugierige.
So belegen die Daten, daß Verkehr und Verkehrslärm ständig zunehmen. Die zugelassenen 1,3 Millionen Kraftfahrzeuge (Kfz) verstopfen die Stadt: In der City gibt es 35 Kilometer Straße, die täglich von mehr als 75.000 Autos befahren werden. Der Stadtring zwischen Funkturm und Rathenauplatz ist „mit 200.000 Kfz/Werktag der höchstbelastete Straßenabschnitt Deutschlands.“ Diese „Verlärmung“ der Stadt hört man selbst auf den Erholungsflächen: „In allen Grünanlagen innerhalb des S-Bahn-Ringes wird der Orientierungswert von 55 Dezibel zum Teil stark überschritten.“
Ein düsteres Ergebnis zeigt der Umweltatlas auch in anderen Bereichen: Immer mehr Land wird zugebaut: „Seit 1950 sind 20.500 Hektar verlorengegangen, das sind 23 Prozent der Stadtfläche. Und auch in Zukunft muß mit erheblichen Flächenverlusten gerechnet werden.“ Die Lebensbedingungen für wild lebende Tiere und Pflanzen haben sich verschlechtert, die Hälfte dieser Lebewesen sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben, weil die Brachflächen verschwinden. Zwar sind immerhin noch 20 Prozent der Fläche Berlins mit Wald bedeckt, und auf jede BewohnerIn kommt statistisch 50 Quadratmeter Wald – aber die Bäume sind krank: 18 Prozent sind trotz eines Rückgangs von Schwefeldioxid in der Luft durch Ozon und Nährstoffmangel deutlich geschädigt.
Doch Strieder hatte auch gute Neuigkeiten: Berlin sei mit dieser Kartographierung der Umweltdaten führend in der Welt. VertreterInnen der Verwaltung von Moskau, Rom, Mailand und Rio de Janeiro erklärten, sie wollten mit Berliner Hilfe eine ähnliche Erfassung grundlegender Umweltdaten in ihren Regionen vorantreiben. Und wer die zentnerschweren Ordner der drei Umweltatlasbände nicht schleppen will, kann auch zu High-Tech greifen: Den Atlas soll es ab Sommer für knapp 300 Mark als CD-ROM geben.
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