: Ein zyklisches Phänomen
■ betr.: „Schweinchen Babe er laubt“, taz vom 28. 2. 96
Franziska Rollers Vier-Ebenen- Modell des Geschmacks bedarf einer Korrektur. Wider alle geschmackswissenschaftshistorischer Erkenntnis behauptet sie, daß „Ebene drei“ die jüngste sei – dort, wo man „Schlechtes genießt“, also Abba oder Pulp Fiction.
Diese Einordnung ist mit dem gebotenen Hohn als ahistorisch zurückzuweisen. Beschreibt sie damit doch nur „Camp“, das zu Beginn der Siebziger, gar schon zu Warhols Hoch-Zeit in den USA zur raumgreifenden ästhetischen Kategorie wurde. „Camp is when something is so bad that it is good“, war das definitorische Fundament.
Camp war: Santa Claus, Eisbärenfelle, Doris Day, pink Cadillacs, Everly Brothers, Drinks auf Kokosmilchbasis. In Wahrheit ist Camp/Ebene 3 ein zyklisches Phänomen.
Camp repräsentiert den Versuch einer ausgepowerten, desillusionierten Intelligentsija, sich mit dem Proletariat zu solidarisieren, nachdem sie alle revolutionären Träume hat fahren lassen müssen. Aus progressiver Sicht muß Camp/ Ebene 3 als reine Überbautändelei zurückgewiesen werden. „Katzeklo“ ist konterrevolutionär. Zu tadeln ist weiterhin, daß die taz dieses Interview auch noch unter der Rubrik „Wahrheit“ abgedruckt hat. Josef Joffe, München
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