Nachgefragt: Kein Dienstvergehen
■ Interview mit Justiz-Staatsrat Göbel
Gegen den Staatsanwalt Dr. Christian Baumgarte, der im Dezember des vergangenen Jahres seine „Abschußquoten“ im Turmzimmer der Behörde feierte (taz 16.12.), wird kein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das geht aus einer jetzt veröffentlichten Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der Grünen hervor.
Herr Göbel, der Senat bezeichnet das Verhalten von Baumgarte in seiner Antwort als „einen schlimmen Mißgriff“, der „rechtstaatlich bedenklich“ ist und „ein völlig falsches Berufsbild des Staatsanwaltes“ vermittelt. Ein Disziplinarverfahren will der Justizsenator dennoch nicht einleiten. Warum nicht?
Michael Göbel: Das läßt sich leicht erklären. Ein Disziplinarverfahren geht vom Ermessensgrundsatz aus.
Das heißt?
...daß die Behörde darüber entscheidet, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist oder nicht. In diesem Fall haben wir davon abgesehen, weil der Staatsanwalt einsichtig ist. Die Gefahr, daß sich soetwas wiederholt, ist nicht gegeben.
Mit anderen Worten: Wer sein Fehlverhalten einsieht, gegen den wird kein Disziplinarverfahren eingeleitet?
Nein, aber man muß hier auch den Schaden sehen. Das Einladungsschreiben (in dem Baumgarte verurteilte Firmen nebst Freiheitsstrafe aufgelistet hatte), ist entgegen anderslautender Behauptungen nicht an die Öffentlichkeit gelangt.
Unter den Firmen, die Baumgarte in seinem Einladungsschreiben erwähnt hat, waren immerhin solche, die noch nicht rechtskräftig verurteilt waren. Über Umwege gelang das Schreiben an die Öffentlichkeit. Sehen Sie darin keinen Schaden für die Verurteilten?
Doch, aber das Schreiben ist nicht durch Baumgarte in die Öffentlichkeit gelangt.
Aber hätte er nicht damit rechnen müssen?
Naivität ist kein Dienstvergehen.
Aber die Verletzung der Schweigepflicht.
Baumgarte hat die Schweigepflicht nicht verletzt. Er hat geschmacklose Sachen in die Welt gesetzt. Die Namen waren ohnehin bekannt. Selbst die Presse hatte ausführlich darüber berichtet und Namen genannt.
Seit wann ist denn die Presse ein Maßstab für das Verhalten der Staatsanwaltschaft?
Also, es gibt ja nun ein Verfahren, über das lückenlos in allen bremischen Zeitungen mit voller Namensnennung berichtet wurde. Die Betroffenen waren auch eitel genug, sich im Fernsehen interviewen zu lassen. Das ist keine Rechtfertigung dafür, daß Baumgarte die Namen in seiner Einladung aufgeführt hat. Aber man kann das auch nicht außer Acht lassen, wenn man die Schwere seines Verhaltens beurteilt.
Und das ist nicht so schwer, daß es ein Disziplinarverfahren notwendig macht?
Ich finde, durch die Veröffentlichungen, die Rüge seines Vorgesetzen und die Anfrage, ist Baumgarte drei Mal durchs Dorf gejagt worden. Irgendwann reicht es. Fragen: kes
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