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Gemeinschaftlich reingewaschen

■ Ermittlungen gegen Polizisten eingestellt, die Fotografin von der Treppe schubsten Von M. Carini

„Die Staatsanwaltschaft hat nachgetreten“, empört sich Rechtsanwalt Jens Waßmann über „den unerhörten Bescheid“, der ihm vor wenigen Tagen ins Haus flatterte. Darin konnte der Jurist lesen, daß die Ermittlungen gegen zwei Polizisten eingestellt wurden, die im November 1992 während einer Wohnungsräumung in der Hafenstraße die Fotografin Marily Stroux auf einer Treppe zu Fall gebracht haben sollen. Resultat des Treppensturzes: Stroux brach sich das Steißbein und befindet sich noch heute in ärztlicher Behandlung.

Daß die Staatsanwaltschaft keine Polizisten auf die Anklagebank zerrt, mag Waßmann „kaum noch verwundern“ – obwohl aus seiner Sicht „ein von uns benannter Zeuge die beiden Beamten zweifelsfrei identifiziert“ hat. Empört ist Waßmann aber über einen Passus des Einstellungsbeschlusses, in dem es heißt, es stehe „nicht mit der erforderlichen Sicherheit“ fest, daß die Foto-Journalistin „überhaupt infolge des Einwirkens eines Polizeibeamten im Treppenhaus gestürzt ist und sich dadurch einen Steißbeinbruch zugezogen hat“.

Der Jurist: „Meine Mandantin hat sich die Verletzung weder eingebildet noch selber beigebracht.“ In dieser Passage werde die „persönliche Integrität“ von Marily Stroux „infrage gestellt“. Waßmann: „Eine unerhörte Frechheit.“

Der Anwalt forderte die Staatsanwaltschaft auf, die genannte Passage umgehend zu korrigieren oder ersatzlos zu streichen – doch die lehnte gestern ab. Besondere Pikanterie: Laut Waßmann hatte der ermittelnde Staatsanwalt Mathiessen noch im Dezember bestätigt, für ihn stehe außer Frage, daß die Fotografin aufgrund der unsanften Polizeiaktion verletzt wurde.

Doch Mathiessen wurde im eigenen Haus offenbar mit sanftem Druck korrigiert. Angesprochen auf den plötzlichen Erkenntnisumschwung teilte Mathiessen Anwalt Waßmann mit, bei dem Einstellungsbeschluß habe es sich um eine „Gemeinschaftsarbeit“ mehrerer Staatsanwälte gehandelt.

Für die Geschädigte aber ist die staatsanwaltschaftliche Lesart des „Treppensturzes“ von zentraler Bedeutung. Sie klagt gegen die Innenbehörde auf Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen von insgesamt knapp 13.000 Mark. Nun ist im Einstellungsbeschluß formuliert, ein zu der Verletzung führendes Verhalten könne „keinem bestimmten Beamten mit der gebotenen Sicherheit zugeordnet werden“ kann. Für die Klage sei daher von entscheidender Bedeutung, wenn die Ermittlungsakte zumindest bestätige, daß die Verletzung eine Folge des Polizeieinsatzes war. Deshalb will Waßmann nun Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluß einlegen.

Das Ermittlungsverfahren, das bereits 1993 von Oberstaatsanwälin Marion Zippel erstmals eingestellt worden war, ließ Ex-Justizsenator Klaus Hardrath infolge des Hamburger Polizeiskandals wieder aufrollen. Entschieden werden muß noch über eine andere Klage: Die IG Medien will vor Gericht die Rechtswidrigkeit des Einsatzes feststellen lassen, damit „Polizeibeamte künftig nicht mehr ihre eigene Interpretation von Pressefreiheit durchsetzen dürfen“.

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