: Ich hasse Berlin und die Deutschen
Heute würde Rosa Luxemburg 125 Jahre alt werden. Über die Berliner Lebensorte der Revolutionärin informiert eine Stadtrundfahrt von „Frauentouren“ ■ Von Bernd Kastner
Es war keine Liebe, sondern ein Zweckbündnis: „Ich hasse Berlin und die Deutschen schon so, daß ich sie umbringen könnte“, schreibt Rosa Luxemburg nach ihrer Ankunft am 16. Mai 1898. Mit 27 Jahren kam die gebürtige Polin nach Berlin, der großen deutschen Arbeiterbewegung wegen. Der Traum von der Revolution war es auch, der sie hier hielt – bis zu ihrem gewaltsamen Tod 1919.
Die Spuren der 21 Berliner Jahre der späteren KPD-Mitbegründerin verfolgt Claudia von Gélieu von „Frauentouren“ auf ihrer Stadtrundfahrt „Rosa Luxemburg in Berlin“. Die Stationen der Tour sind Wohn- und Wirkungsstätten, die auch das Menschliche hinter der Politikerin sichtbar machen. Der Anlaß: ihr 125. Geburtstag am heutigen Dienstag. Doch gerade mal ein Dutzend Interessierte spürten der Revolutionärin am vergangenen Samstag nach. Mögen auch die BerlinerInnen „ihre“ Rosa nicht so sehr?
Wenn schon Berlin, dann wenigstens im Grünen. Im neu entstehenden Friedenau der Jahrhundertwende fühlt sich die naturverbundene Rosa halbwegs wohl, bleibt erstmals länger als ein paar Wochen an einem Ort wohnen. 1899 bezieht sie ein Zimmer in der Wielandstraße 23. Vis à vis wohnt Luise Kautsky. Anfangs kann Rosa die Frau des SPD-Theoretikers Karl Kautsky gar nicht leiden – sie plappert ihr zuviel. Dann aber wird der Kontakt immer enger, das Plappern immer intensiver. Nach unzähligen Partei-Abenden in Kautskys Wohnung bringt Luise die Freundin nach Hause. Weil der kurze Weg so wenig Zeit zum Reden läßt, gehen die Frauen wieder zurück. Und wieder hin, und wieder zurück. Stundenlang.
Wenn Rosa in Berlin ein Zimmer suchte, mußte es in der Nähe eines S-Bahnhofs sein. An ihnen orientierte sie sich in der Riesenstadt, sie benutzt sie, um in Bibliotheken, zu Vorträgen zu kommen. 1902 zieht sie in die Cranachstraße 58 auf der anderen Seite der S-Bahn-Trasse – ihres Freundes Leo Jogiches wegen, der nun endlich aus der Schweiz zu ihr kommt. Erstmals in ihrem Leben hat sie nun eine komplette Wohnung. Sie bewohnt das rote Zimmer, er das grüne. In Untermiete wäre die uneheliche Beziehung nicht geduldet worden – des Kuppeleiparagraphen wegen. Als Jogiches 1906 in Polen im Gefängnis sitzt, zieht bald ein Untermieter in das grüne Zimmer. Kostja Zetkin heißt er, ist 15 Jahre jünger als Rosa und der Sohn ihrer Mitstreiterin Clara Zetkin. Er wird ihr Geliebter.
Friedenau verläßt Rosa 1911 Richtung Südende. Das einstige Idyll war ihr zu laut geworden. Vor dem Backsteinhaus in der Cranachstraße erinnert heute eine Gedenktafel an die bekannte Exmieterin. Aber nicht an der Hauswand findet sich die Tafel, sondern neben dem Fußweg, zwischen niedrigem Gestrüpp und Hundekot. Drei erfrorene Blumensträuße liegen mitten drin. Am Haus durfte nicht erinnert werden. Die BerlinerInnen scheinen ihre Revolutionärin nicht zu lieben.
Nach dem Ersten Weltkrieg erlebt Rosa Luxemburg endlich eine Revolution. Doch die Zeiten sind gefährlich. Mit Karl Liebknecht taucht sie in Wilmersdorf unter, wird dort aber verraten und verhaftet. Wo und wie Rosa Luxemburg ermordet wird, weiß bis heute niemand genau. Fest steht: Am 15. Januar 1919 werfen sie Angehörige der Gardeschützen-Kavallerie-Division von einer Brücke im Tiergarten in den Landwehrkanal. Ihre Leiche findet man erst Monate später.
Dort, wo Rosa Luxemburg ins Wasser geworfen wurde, erinnert seit 1987 ein Denkmal. Die Brücke aber wurde nicht nach ihr benannt.
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