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Demokratie hilft nicht immer den Demokraten

■ Die Wahlen in Westafrikas Demokratiemusterland Benin bringen eine hohe Wahlbeteiligung und regionale Polarisierung. Präsident Soglos Sieg ist nicht sicher

Berlin (taz) – Im Grunde ist das, was sich zur Zeit im westafrikanischen Benin abspielt, eine kleine Sensation: Ein Staatschef, der durch freie Wahlen an die Macht gekommen ist, stellt sich wiederum freien Wahlen. Auf dem afrikanischen Kontinent ist das äußerst selten. Aber Benin, das 1990/91 einer der Vorreiter bei der Einführung von parlamentarischer Demokratie in Afrika war, könnte nun auch der Vorreiter dabei sein, den alten Herren aus vordemokratischer Zeit auf dem Umweg über die Wahlurne zurück zur Macht zu verhelfen.

Gestern nachmittag gab es noch kein Ergebnis des ersten Durchganges der Präsidentschaftswahlen, die am Sonntag in Benin stattfanden. Aber Teilergebnisse, die der Nachrichtenagentur AFP vorlagen, bestätigen: Nicéphore Soglo, der 1991 nach der Auflösung der „marxistisch-leninistischen“ Militärdiktatur demokratisch zum Präsidenten gewählt worden war, muß vermutlich am 17. März in die Stichwahl gegen Mathieu Kérékou, den damals gestürzten Diktator. „Die beiden Giganten liegen offenbar vorn“, schrieb die unabhängige Tageszeitung Le Matin. Den Teilergebnissen zufolge stimmte der Norden massiv für Kérékou, die Mitte für Soglo und der Süden um Porto- Novo für Adrien Houngbedji, ehemaliger Parlamentspräsident und Gewinner der Parlamentswahlen von 1995.

Als er vor fünf Jahren sein Amt antrat, galt Soglo als Vertreter des neuen Reformzeitalters in Afrika: Er war sowohl Mitarbeiter der Weltbank gewesen wie auch Vertreter demokratischer Ideale. Kérékou hatte demgegenüber das Land in seiner achtzehnjährigen Herrschaft in den ökonomischen Ruin getrieben. Je näher jedoch die Wahl von 1996 rückte, desto mehr schienen sich diese beiden Rollen zu vertauschen. Oppositionelle nahmen mit Unmut zur Kenntnis, daß Soglo mehrere der wichtigsten Regierungsposten mit Mitgliedern der eigenen Familie besetzte, in Abwesenheit einer eigenen Parlamentsmehrheit gerne per Dekret regierte und eine private Miliz gründete. „Das demokratische Regime ist schlimmer als das Kérékou-Regime“, behauptete unlängst der Erzbischof von Cotonou, Isidore de Souza, der 1990 den Übergang zur Demokratie mitorganisiert hatte. Der Politiker Albert Tévoédjrè, der früher gegen die Militärdiktatur opponierte und jetzt aber Kérékou unterstützt, meinte über Soglo: „Der Mann hält sein Wort nicht und respektiert weder Gesetz noch Verfassung.“

Kérékou, der aus dem Norden Benins stammt, suchte sich Verbündete im Süden – unter anderem Tévoédjrè – und profitierte von einer auch in Osteuropa anzutreffenden Nostalgiestimmung für frühere „geordnete“ Verhältnisses. Soglo hielt dem ein in letzter Zeit starkes Wirtschaftswachstum entgegen und verwies darauf, er habe nach der von Kérékou hinterlassenen Misere erst einmal eine „Herkulesarbeit“ vollbringen müssen. Seinen Wahlkampf begann er im Dezember damit, daß er die Hauptstadt Cotonou anläßlich des Frankophonie-Gipfels gründlich sanieren ließ. Wenige Wochen später erkannte er den zu Zeiten Kérékous unterdrückten Voodoo als Staatsreligion an, was ihm aber die Feindschaft der katholischen Kirche zuzog.

Angesichts des emotional geführten Wahlkampfs war der Wahltag erstaunlich ruhig. Obwohl die Wahlzettel vielerorts mit Verspätung eintrafen, warteten die Bürger zum Teil stundenlang geduldig in glühender Hitze. Die Beteiligung betrug laut Wahlkommission „mindestens 60 Prozent“, in Cotonou sogar über 80 – viel mehr als in anderen afrikanischen Staaten. Der Wahleifer der Beniner ist ein Vermächtnis der Demokratisierung, das auch Soglos eventuelle Niederlage kaum rückgängig machen könnte. Dominic Johnson

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