■ Europarat kritisiert Behandlung in Spaniens Gefängnissen: Folter an der Tagesordnung
Jetzt ist zumindest teilweise amtlich, was seit Jahren unabhängige Menschenrechtsorganisationen anklagen: In Spanien wird auch 20 Jahre nach dem Tod von Franco gefoltert. Ein Bericht des europäischen Antifolterausschusses über die Situation in den Haftanstalten des Landes beweist dies. Bei den Folterungen kommt alles zum Einsatz, was die menschliche Perversion hervorbringen kann: Elektroschocks, über den Kopf gestülpte Plastiktüten, mit Fäkalien gefüllte Badewannen, Aufhängen an den Füßen etc. Und um Spuren zu vermeiden: Drohungen, sexuelle Übergriffe – vor allem gegen weibliche Häftlinge – und Scheinerschießungen.
Der Straßburger Bericht greift dennoch zu kurz. Denn der Leidensweg vieler beginnt nicht erst im Gefängnis, sondern bereits bei der Festnahme. Sondergesetze zur Terrorismusbekämpfung, die vor allem im Baskenland zur Anwendung kommen, ermöglichen eine zehntägige Inhaftierung auf dem Polizeikommissariat ohne Anwalt und ohne Haftrichter – ein Verfahren, das regelrecht zu Folter und Mißhandlungen einlädt. Viele der Opfer werden danach ohne Anklage wieder auf freien Fuß gesetzt. Einschüchterung und Strafe für legale, aber doch unliebsame politische Arbeit, konstatieren die Menschenrechtsgruppen. Was im Straßburger Dokument ebenfalls fehlt: Die Mißhandlung beginnt nicht erst beim Elektroschock. Auch das, was die Polizei gerne als „grobes Anfassen“ abtut, verstößt gegen die Menschenwürde. Hier nehmen die Klagen der spanischen Menschenrechtsorganisationen in den letzten Jahren zu. Opfer kann jeder sein: vom Falschparker über den Demonstranten bis hin zum ganz normalen kleinen Ganoven.
Wenn sich Spaniens Regierung darauf beruft, daß gegen die beschuldigten Beamten ermittelt wird, ist dies richtig und scheinheilig zugleich. Den Anwälten der Opfer werden alle nur möglichen Hindernisse in den Weg gelegt. Die Zulassung eines unabhängigen Gerichtsmediziners ist bis heute die Ausnahme, die Verfahren werden über Jahre hinaus verschleppt und so vor allem für mittellose Opfer schier unmöglich gemacht. Die betroffenen Beamten werden bis zum Urteil meist nicht einmal vom Dienst suspendiert, und einmal verurteilt, können sie nicht selten mit einer Begnadigung rechnen. Die Anwälte hingegen, die ein Folteropfer verteidigen, werden von Politikern und Medien schnell zu „Terroristenfreunden“ abgestempelt. Reiner Wandler, Madrid
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