: Fragen Sie nie die Geschäftsleitung
■ Beate Sauer ist Frauenbeauftragte im „Männerhaus“ Handelskammer, „da stand ich schön dumm da“
Wer Beate Sauer interviewen will, muß sich mit Herrn Kruppenbacher von der Geschäftsleitung unterhalten: Man möchte ja nicht zuviel Wirbel um die hauseigene Frauenbeauftragte machen – was denn nun an Frau Sauer so interessant sei, wagt Herr Kruppenbacher zu bedenken zu geben. Dann segnet er den Termin großmütig ab, betont aber, daß er dagegen sei.
„Für die Geschäftsleitung bin ich eine Bittstellerin.“ Beate Sauer, Frauenbeauftragte der Bremer Handelskammer, weiß, daß sie dort belächelt wird, und lächelt zurück. „Ich gehöre hier zu den Frauen in den niedrigen Gehaltsgruppen.“ Beate Sauer ist Sachbearbeiterin in der Außenwirtschaftsabteilung der Kammer, „fulltime Sekretärin“, sagt sie. „Hätten wir eine Powerfrau in der oberen Etage, die hätte es genauso schwer.“
Da sitzt jedoch keine, die knapp siebzig Frauen in der Handelskammer – zwei Drittel der Belegschaft – sind Schreibkräfte und Verwaltungsangestellte. „Und unsere Vorgesetzten sind im Aufspüren von Widerständen sehr phantasievoll.“ Doch nach zehn Jahren im Job und nach fünf Jahren als Beauftragte hat sich die 42jährige, verheiratet, keine Kinder, in manchen Dingen das Fragen abgewöhnt.
1991, nachdem sie gewählt war, und noch überlegte, „Was machst du denn jetzt eigentlich?“ – da blies ihr schon der erste Gegenwind ins Gesicht. Ihr wurde verboten, bei Bewerbungsgesprächen auf höherer Ebene dabei zu sein. „Da stand ich ziemlich dumm da“, erinnert sich Beate Sauer, „ich kann doch keine gleichberechtigte Bewertung vorlegen, wenn ich nur die Akten kenne.“ Noch heute steht die resolute Frau vor der Tür. Sie greift sich inzwischen aber die Leute vor oder nach den Bewerberrunden ab und führt ihre eigenen Gespräche. „Da wußte man dann keine triftige Antwort darauf. Ich finde das selbst nach wie vor sonderbar, aber es funktioniert.“
Nach dem Landesgleichstellungsgesetz (LGG) ist die Handelskammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts dazu verpflichtet, eine Beauftragte der Frauen im Hause zu akzeptieren. Das sei ernüchtert zur Kenntnis genommen worden, aber gern gesehen habe man das nicht. „Überall, wo das LGG indirekt Blockaden zuläßt, hat die Handelskammer zugegriffen“ – Beate Sauer improvisiert das Tagesgeschäft, arbeitet zu Hause, macht Überstunden. Eine Freistellung hat sie nicht bekommen.
In dem Haus hinter dem Schütting klopfen nur wenige Frauen an Beate Sauers Bürotür, die meisten rufen an, weil sie auf dem Flur nicht gesehen werden wollen. „Dabei sind unsere Frauen insgesamt eher wach und agil“, findet deren Beauftragte. Früher trafen sie sich fast ausschließlich auf dem Klo oder in der Poststelle. Heute gehen sie zwei, drei Mal im Jahr zur Frauenversammlung rüber in den Schütting und reden zwei, drei Stunden über „Psychostreß“ oder sexuelle Diskriminierung am Arbeitsplatz.
„Dafür müssen sich die Kolleginnen dann selbst freigeben, sie müssen sich trauen, sich das Recht zu nehmen.“ Beate Sauer erwartet das, sie habe ja auch nicht gefragt, sondern der Geschäftsleitung und Verwaltung die Versammlungen einfach zur Kenntnis gegeben. „Ich bin keine Diplomatin, aber durch Harmoniegehabe kommt man ja auch nicht weiter.“ Ein bißchen souveräner sei sie in den fünf Jahren geworden. Frauenpolitisch engagiert war sie davor eigentlich nie. „Jetzt bin ich Gewerkschafterin“, sagt die große Frau mit festem Blick.
„Man muß auch etwas dafür tun, die Rechte der Frauen zu erhalten und zu pflegen.“ Beate Sauer hat den Frauenförderplan im Visier, ist für eine Quote in der Handelskammer und sagt das dort auch laut. Als Frauenbeauftragte kandidiert sie nicht mehr, läßt sich aber für den Personalrat aufstellen. „Und dann verfolge ich mit meiner Nachfolgerin eine Doppelstrategie.“ Strategie heißt für die Frauenbeauftragte auch, vernetzt zu sein. Sie holt sich Tag für Tag Rechtsauskünfte, aus der Angestelltenkammer, bei der ÖTV, bei der Gleichstellungsstelle. Eine junge Mutter möchte künftig in Teilzeit arbeiten – Beate Sauer hat den Vertrag dazu prüfen lassen.
„Das läuft“, meldet eine Kollegin gerade. Dann stürmt ein junger Mann mit Schlips ins Zimmer – ein „Tschuldigung“ bleibt ihm zwischen den Lippen hängen. Er greift auf Beate Sauers Schreibtisch und verläßt stumm den Raum. Ein Vorgesetzter. Silvia Plahl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen