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Unter Flaschen und Kanonen

■ Die Ausstellungsmacherin Dodo Richter-Glück über den schwierigen Weg der Frauen im Kunstgeschäft: „Es gibt keine weibliche Ästhetik“

Sie betrachtet Kunst gern in größeren Zusammenhängen: Dodo Richter-Glück hat Ausstellungen reihenweise organisiert. Zunächst in der neuen Schlachthof-Galerie, jetzt im Lichthaus: „Female Coalities“, eine Reihe von Lesungen, Performances, Vorträgen und Kunstausstellungen. Stets stehen Künstlerinnen im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. An eine besondere „Frauenkunst“ glaubt Richter-Glück dennoch nicht.

taz: Selbst die ehrwürdige Stuttgarter Staatsgalerie hat im vergangenen Jahr das Thema „Frauen und Kunst“ groß rausgebracht, mit der Ausstellung „Leiblicher Logos“. Das Centre Pompidou zeigte unlängst „L'origine du Sexe“, ein vielbeachtetes Spektakel. Was bleibt da kleinen Kunstprojekten noch zu tun? Kann man sich beruhigt anderen Themen zuwenden?

Dodo Richter-Glück: Nein, dazu gibt es noch zu unterschiedliche Ansätze. Die Kuratorin der Stuttgarter Ausstellung ging ja noch von der Idee aus, daß Weiblichkeit oder weibliche Kunst sich irgendwie beschreiben lassen. Die Idee habe ich absolut nicht.

Das heißt: Weibliche Ästhetik läßt sich nicht beschreiben, oder heißt das: Sie existiert nicht?

Es gibt keine spezifisch weibliche Ästhetik. Ich halte das alles für eine gesellschaftliche Konstruktion. Für mich ist Kunst eine Art, sich auszudrücken, und dabei kommt natürlich was von der eigenen Persönlichkeit hinein. Aber ich meine, für beide Geschlechter ist alles vollkommen möglich und offen.

Der Titel der aktuellen Kunstreihe, die Du kuratierst, suggeriert aber etwas anderes: „Female Coalities“ – damit wird doch auch auf besondere Qualitäten weiblicher Kunst hingewiesen, die es hier zu entdecken gilt.

Die Reihe wirft vielleicht eher ein Licht auf einen bestimmten Aspekt: Koalition und Zusammenschluß; ein Aspekt, den Frauen manchmal einfach vernachlässigen. Das Bewußtsein einer Zusammengehörigkeit wird oft an den Rand gedrängt, weil man es als Gruppe von Künstlerinnen auf dem Kunstmarkt sehr schwer hat. Wenn Deine Arbeit als „Frauenkunst“ abgestempelt ist, dann hast Du weniger kommerzielle Chancen, ganz einfach.

Wir müssen trotzdem auf so einen Zusammenschluß setzen, dürfen nicht verdrängen, daß wir Frauen sind. Wir müssen vielmehr von dieser Position ausgehen und versuchen, das als positive Kraft zu benutzen. Indem man sich weibliche Bezugsrahmen schafft.

Wie sieht denn der weibliche Bezugsrahmen dieser Kunstreihe aus?

Wenn Du als Frau Kunst machst, dann merkst Du manchmal erst nach einer gewissen Zeit, daß Du dich in deiner Arbeit nur auf Männer beziehst – weil eben nur Männer am Start sind. Deswegen markiert unsere Reihe ein bewußtes Umdenken: Daß Du Dich einfach mal auf Frauen beziehst, die an eine bestimmte Stelle gekommen sind.

Großereignisse wie die Stuttgarter Schau werden dennoch nach den alten Schemata wahrgenommen und beurteilt: Was ist das typisch weibliche oder männliche Moment an dieser Kunst? – Woran liegt das? Hat man die Erkenntnisse der emanzipatorischen Bewegung der 70er Jahre nicht einer breiteren Öffentlichkeit vermitteln können?

An den Hochschulen wird sowas wie feministische Kunstwissenschaft ja erst etabliert, das muß man auch sehen. In Bremen ist gerade Sigrid Schade dafür berufen worden. Das ist ein langer Prozeß. Da sind wir im Vergleich mit Amerika einfach 20 Jahre hinter dem aktuellen Stand hinterher. In der feministischen Kunstwissenschaft ist es ja so, daß man sogar die Begriffe „gender & sex“, wie sie in den 80ern diskutiert wurden, vernachlässigt, weil die auch schon zuviele gedachte Grenzen beinhalten.

Das heißt allerdings nicht, daß man den Unterschied der Geschlechter verdrängt. Man sieht das auch an literaturwissenschaftlichen Beiträgen wie dem von Helga Gallas. Darin weist sie nach, daß nur im Patriarchat „Flasche“ ein Schimpfwort sein kann und „Kanone“ ein Lob. Was Gefäßartiges ist einfach mit Weiblichkeit konnotiert und alles, was nach außen spritzt, mit Männlichkeit.

Diese alten Muster gelten wohl auch für einen Teil der Praxis. Im vergangenen Jahr gab es hier in Bremen ein Frauenkunstprojekt namens „Rich.White.Blond.Girl.“, das immer noch eine Protesthaltung wie aus den 70ern zum Ausdruck brachte.

Die Bewegung ist halt doch sehr langsam. Sigrid Schade und Silke Wenk sagen ja auch, daß sich Kunstgeschichte darüber konstituiert, daß Frauen ausgeschlossen sind. Sowas läßt sich eben doch nur allmählich verändern.

Ein Beispiel, wie sich die Kunst verändern kann, ist ja jetzt zu besichtigen: Die Stofftier-Ausstellung bei Cornelius Hertz ist subversiv, aber auch leicht und heiter.

Ja, genau. Aber als Trend möchte ich das nicht bezeichnen. Ich möchte nicht behaupten, daß es jetzt in eine bestimmte Richtung geht, denn ich finde, alles ist möglich, und vor allem Frauen sollten das im Bewußtsein haben.

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