: Ostberliner Kliniken droht Millionendefizit
■ Luthers Versäumnis bringt bei freien Trägern Tarifangleichung in Gefahr
Den Ostberliner Krankenhäusern droht nach den Berechnungen der Bündnisgrünen in diesem Jahr ein Defizit von 80 Millionen Mark. Verantwortlich dafür ist der frühere Gesundheitssenator Peter Luther (CDU), der es versäumte, mit Bundesgesundheitsminister Seehofer eine Sonderregelung für Ostberlin zu vereinbaren. Die Panne gefährdet bei den frei-gemeinnützigen Trägern auch die für Oktober geplante Tarifangleichung auf Westniveau.
Um die Krankenhäuser auf Sparkurs zu zwingen, friert der Bundesgesundheitsminister das Budget der Krankenhäuser für 1996 per Gesetz auf dem Stand des Vorjahres ein. Vorgesehen ist nur die bundesweite Tarifsteigerung im öffentlichen Dienst (etwa 2,5 Prozent). Daß den Ostberliner Kliniken eine neunprozentige Tarifanpassung bevorsteht, wird nicht berücksichtigt. Woher das Geld für die im Oktober fällige Lohnerhöhung auf 100 Prozent Westniveau herkommen soll, ist unklar. Der Versuch der Senatsgesundheitsverwaltung, im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat noch nachträglich eine Korrektur durchzusetzen, ist am Mittwoch gescheitert.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit konnte gestern die Höhe des entstehenden Defizits noch nicht beziffern. Für das Oskar- Ziethen-Krankenhaus hat Geschäftsführer Reinhard Roß einen Fehlbetrag von 8 Millionen Mark berechnet. Bei einem Jahresumsatz von 130 Millionen Mark und Personalkosten von 80 Millionen Mark sieht Roß keine Möglichkeit, die Summe aufzubringen. „Dann müßte ich Konkurs anmelden“, sagt er. „Wenn die Krankenkassen das Geld nicht zur Verfügung stellen, muß die Lohnangleichung ausfallen“, sagt Roß bedauernd.
Doch die Krankenkassen dürfen den fehlenden Betrag gar nicht ausgleichen. „Dazu läßt das Gesetz gar keinen Handlungsspielraum“, stellt AOK-Sprecher Friedrich Abraham fest. An sich begrüße die AOK das Gesetz, das die enorm gestiegenen Kosten in der Krankenhausversorgung bremsen soll.
„Selbst wenn die Kliniken Rücklagen gebildet haben, reichen diese nicht aus, um das Defizit zu decken“, schätzt der gesundheitspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Bernd Köppl. Er befürchtet Liquiditätsschwierigkeiten, die „bis zum Konkurs einzelner Häuser“ gehen könnten. Daher dürfte das Defizit zum Teil aus dem Landeshaushalt beglichen werden. Denn während Kliniken mit gemeinnütziger Trägerschaft die Möglichkeit haben, auf die volle Tarifanpassung West zu verzichten, sind die städtischen Kliniken an den Tarifvertrag gebunden. Dorothee Winden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen