: Lautes Schweigen
■ Der „Frauentag“ findet heute nicht statt
Heute ist kein „Frauentag“. Es ist keine Zeit der Emanzipation, nicht einmal die Zeit des Protestes gegen das Rollback. Und Ausnahmen bestätigen nur die Regel.
Alle haben andere Sorgen. Obwohl der Zusammenhang zwischen immer feiner ziselierter Geschlechterspaltung und genereller sozialer Feinstspaltung mehr denn je Politikum wäre, wird lauter denn je geschwiegen. Aber warum sollte es anders sein?
Es findet doch ein Prozeß sich annähernder Gleichstellung statt. Die leistungsstarken Frauen dürfen auf- und die leistungsschwachen Männer müssen absteigen auf der sich verlängernden sozialen Stufenleiter. Für den Dschungelkampf haben Frauen trotz allem keine schlechten Karten. Sie wissen, wer sie sind und was sie können. Sie setzen auf ihre Potentiale und haben keine Lust mehr, sich an Widerständen zu reiben.
Mehrarbeit und Knappheit sind sie gewohnt, die Kinder schaffen sie notfalls weiterhin allein, sind sie des Mannes wenigstens ledig. Die hartgesottenen und gut positionierten Frauen nutzen ganz die Gunst der Stunde. Die schlechter positionierten und sozialisierten Frauen halten öfter erschreckt noch still und treten zurück hinter Männer, die es nötiger haben.
Die starken Männer freut die reizvolle Belebung des Geschäfts. Das mindert aber kaum die stechenden Spielregeln desselben. Die anderen Männer müssen sehen, wo sie bleiben. Sie wähnen sich mit Frauen im normalen Wettbewerb. Sie beanspruchen, jene „gleichberechtigt“ auszukonkurrieren, obwohl ein solcher Status noch nie gegeben war. Vor den Umbau der Strukturen stellten europäische Richter Verbote für „automatische“ Quoten und die Absicherung „geringfügiger“ Beschäftigung.
Ökonomisierung und Reklassifizierung der Gesellschaft werden bislang hingenommen, von Frauen und Männern gleichermaßen. Die Frage nach der Emanzipation geht an die zurück, die in diesem Spiel die Unterlegenen sind. Als Geschlechterfrage richtet sie sich mehr denn je an Männer.
Individualisierte, gespaltene, hierarchisierte Welt oder gleich geteilte Individualität, lautet die Frage. Neue Emanzipation ist nur zu haben, wenn alle sie gleichermaßen haben. Mechtild Jansen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen