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Die Pulsation von Willis Schwanz

„Trio Berlin“ von Marion Schwarzwälder: Endlich ein Berlin-Krimi, der den Namen auch verdient  ■ Von Karl Wegmann

Berlin ist pleite – was das Geld angeht, nicht aber auf dem Krimisektor. Und was wären schon alle Schulden der Welt, wenn die einen fetten Mutterboden für Kriminalgeschichten abgeben? Was da so munter sprießt, sind längst nicht alles Edelgewächse – im Gegenteil, der größte Teil dieser Berlin-Krimis ist matte Dutzendware und hat mit der neuen alten Hauptstadt soviel zu tun wie Philip Marlowe mit Wanne-Eickel.

Dabei liegen die Themen auf der Hand: die verschwundenen Milliarden in Zeiten der Vereinigungshektik, habgierige Politiker, rücksichtslose Bodenspekulanten usw. Was wir bis jetzt vorgesetzt bekamen, ist allerdings Action-Firlefanz oder hat einen Nullachtfünfzehn-„Derrick“-Plot, hart wie Marzipan. Aber es gibt Hoffnung: Sie ist Mitte Dreißig, Single, spontan und leicht chaotisch, heißt Susan Cohrs und ist die Heldin in Marion Schwarzwälders nur leicht verwackeltem Krimi-Debüt „Trio Berlin“.

Die Cohrs arbeitet als Privatdetektivin. Ihre Aufträge bekommt sie von Gabriele, Rechtsanwältin; Schützenhilfe und Tips liefert Babs, Kripo Berlin, Mordkommission. Der aktuelle Fall: Gabriele beauftragt Susan, sich um ihre Klientin Uschi Klusik zu kümmern. Die wohnt in Müggelheim und hat Ärger mit einem angeblichen Alteigentümer aus dem Westen, der ihr ihr Häuschen wegnehmen will.

Die Detektivin macht sich prompt auf den Weg, trifft Frau Klusik nicht an, findet aber im Garten den ermordeten Ehemann. Hoch dramatisch. Aber gleich gibt's einen (unbeabsichtigten) Lacher. „Der Mann ist aus nächster Nähe erstochen worden“, schreibt die Schwarzwälder. Ja, wie auch anders? fragt sich der Krimileser. Egal. Bald gibt's die nächste Leiche, eine Nachbarin der Klusiks. Susan Cohrs schnüffelt und wühlt. Schnell findet sie heraus, daß die Klusik einen Liebhaber hat, daß das Interesse an den Siedlungshäusern in Müggelheim enorm ist und was in einem Dominastudio so alles abgeht. Und sie bekommt vom Mörder einen Logenplatz im Fadenkreuz.

Das alles ist flott geschrieben und spannend erzählt. Leider gibt's immer mal wieder einen kleinen Dämpfer. Die Sexszene zum Beispiel. Okay, Sexszenen sind schwierig, keine Frage. Aber wenn Susan sich ihren Hausmeister zur Brust nimmt, beschreibt Marion Schwarzwälder das so: „Er nahm mich von der Seite, den Gummi schon übergezogen, lag hinter mir, eine Hand zwischen meinen Beinen. Ein Papagei vom Band schrie, und ich stöhnte, dann spürte ich die Pulsation von Willis Schwanz.“ Pulsation? Übersetzt müßte die Stelle lauten: „...dann spürte ich die rhythmische Zu- und Abnahme des Gefäßvolumens von Willis Schwanz.“ Da hat dieser Willi aber eine interessante Technik drauf.

Susan Cohrs ist zweifellos eine interessante Heldin mit Serienpotential. Was ein bißchen stört, sind die kleinen Tricks, deren sich die Autorin allzuoft bedient. So müßte es eigentlich reichen, daß die Detektivin ihre Informationen von der Anwältin und der Polizistin bekommt. Schwarzwälder macht es sich gar zu einfach, wenn sie immer wieder Fachleute einschleust („Ab und an spielte ich Skat mit einem Mann namens Alex, einem Gerichtsmediziner“), die Susan weiterhelfen.

Es wirkt einfach unglaubwürdig, wenn die Heldin immer die richtigen Personen für die richtigen Antworten kennt. Und daß eine pfiffige Privatschnüfflerin ihren Fahrzeugbrief ausgerechnet im Handschuhfach ihres Wagens aufbewahrt, ist ebenfalls schwer zu schlucken. Dagegen ist die Eigenreklame der Autorin, die aktives Mitglied des MAGO Saxophon Trios ist, einfach sympathisch: „Aus Willis Wohnung klang leise Saxophonmusik, das MAGO Saxophontrio schickte seine ekstatischen Klänge in den Äther.“

Der größte Pluspunkt von „Trio Berlin“ ist aber der Schauplatz. Diese Geschichte kann nur in Berlin spielen, und die Stadt hat in Marion Schwarzwälders Buch folglich nicht eine Neben-, sondern ein Hauptrolle. Szenen in überfüllten Bussen und S-Bahnen („Die Enge, in der abgearbeitete und großstadtgenervte Menschen zusammengepfercht fahren, schürt verborgene Aggressionen“), Cafés und Kneipen, „unzählige Goldgräberbaustellen“, der Savignyplatz und Neukölln – endlich erkennt man einmal Berlin in einem Berlin-Krimi. Saxophonmusik paßt sehr gut zu diesem Bild.

Marion Schwarzwälder: „Trio Berlin“. Eichborn Verlag, gebunden, 244 Seiten, 29,80 DM

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